ArchivDeutsches Ärzteblatt PP12/2008Klöster in Bulgarien: Orte der Bildung und des Widerstands

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Klöster in Bulgarien: Orte der Bildung und des Widerstands

Goddemeier, Christof

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Die Hauptkirche Sveta Bogorodica (Heilige Gottesmutter) im Innenhof des Rila-Klosters, das im 10. Jahrhundert vom Beschützer Bulgariens, dem Heiligen Ivan Rilski, gegründet wurde Foto: Caro
Die Hauptkirche Sveta Bogorodica (Heilige Gottesmutter) im Innenhof des Rila-Klosters, das im 10. Jahrhundert vom Beschützer Bulgariens, dem Heiligen Ivan Rilski, gegründet wurde Foto: Caro
Das Rilski manastir ist das älteste und größte des Landes. Es lohnt sich, für den Besuch einen ganzen Tag einzuplanen.

Man kann die 120 Kilometer von Sofia zu Bulgariens bedeutendstem Kloster auf der Hauptstraße zurücklegen. Man kann sich aber auch etwas östlich halten und gelangt dann auf einer kleinen Straße durch das Iskar-Tal nach Samokov, nördlich des Rilagebirges gelegen. Hier befand sich im 18./19. Jahrhundert eine der drei großen Schulen, die die Fresken- und Ikonenmalerei des Landes prägten. Eine direkte Verbindung von Samokov zum Rilski manastir gibt es nicht, die kleinen, ins Gebirge heraufführenden Straßen enden blind. So fährt man über den Klisurskipass zunächst nach Dupnica und biegt wenige Kilometer später links ab zum Ort Rila.

Die meisten christlich-orthodoxen Klöster Bulgariens liegen in den Gebirgen. Heute sind es noch etwa 120. Wie viele es einmal waren, ahnt man, wenn man sich vergegenwärtigt, dass im 17. Jahrhundert unter osmanischer Herrschaft allein in den Rhodopen mehr als dreißig Klöster vollkommen zerstört wurden. Seit Einführung des Christentums und der slawischen Schrift in Bulgarien leisteten die Klöster die Bildungsarbeit. So konnte im 18. Jahrhundert selbst in kleinen Siedlungen mindestens eine Person lesen und schreiben. Und zu dieser Zeit organisierten die Klostergemeinschaften den beginnenden Widerstand gegen die osmanische Herrschaft. Neben den Klöstern auf dem Berg Athos im heutigen Griechenland blieb das Rila-Kloster dabei von türkischen Angriffen weitgehend verschont. Als charakteristisches Beispiel für die Zeit der Nationalen Wiedergeburt Bulgariens wurde es 1983 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Im Dorf Rila streunen ein paar Hunde über den leeren Platz am Busbahnhof, am Ortsausgang ringelt sich eine Schlange rasch ins Unterholz. Die Straße führt neben dem Rilafluss zwanzig Kilometer bergauf, das Kloster liegt über 1 100 Meter hoch. Im Näherkommen sieht man hinter der Anlage die gewaltigen Felsmassive des Rilagebirges. Irgendwo dort oben ragt auch der Musala, mit 2 925 Metern der höchste Berg Bulgariens empor. Nimmt man das Datum seiner Gründung, ist das Rila-Kloster das älteste Kloster Bulgariens. Die Entstehung gründet sich ebenso auf Fakten wie auf Legenden: Im frühen 10. Jahrhundert lässt Ivan Rilski sich hier als Eremit in einer Höhle nieder. Noch zu seinen Lebzeiten entstehen die ersten Klostergebäude. Im 14. Jahrhundert wird die Anlage durch eine Lawine zerstört, danach als Festung wieder aufgebaut und während der Türkenherrschaft dreimal verwüstet und niedergebrannt. Das heutige Kloster ist im Wesentlichen ein Werk des 19. Jahrhunderts.

Prächtig gestaltete Außengänge und Balkone
Von Westen kommend, betritt man die Anlage durch das Dupnica-Tor. Von außen wirkt sie wie eine Festung. Im mehr als 3 000 Quadratmeter großen Innenhof verliert dieser Eindruck sich rasch: Die mit Streifenmustern versehenen Arkaden, bis zu vier Stockwerke hohe Gebäude mit prächtig gestalteten Außengängen und Balkonen und vorspringenden hölzernen Erkern strahlen Wärme und Behaglichkeit aus.

Künstlerischer Höhepunkt des Klosters ist seine Kirche. Ihre drei Schiffe gipfeln in fünf Kuppeln. Von 1834 bis 1837 baute Pavel Ivanovitsch die Basilika, die seitdem der Gottesmutter geweiht ist. Die Fresken malte im wesentlichen Sachari Sograf aus Samokov. Gemeinsam mit seinem Bruder gilt er bis heute als der Repräsentant der Wiedergeburtsepoche. Größter Schatz des Klostermuseums ist das Raphaels-Kreuz. Zwölf Jahre (1790 bis 1802) arbeitete der Mönch Raphael daran. Lediglich 81 Zentimeter hoch, zeigt es 104 Szenen und 650 fein geschnitzte Figuren. Große Teile dieses Werks kann er nur mit einer Lupe bewältigt haben.
Christof Goddemeier

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