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EU-Vorschlag zur Organtransplantation: Über das Ziel hinaus


Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin
Für einige Länder wäre es sicherlich sinnvoll, wenn sie solche Behörden einrichten würden. Für Deutschland mit seinem gut funktionierenden Transplantationswesen wären sie jedoch unsinnig und sogar kontraproduktiv. Sollte der vorliegende Vorschlag unkorrigiert und nicht weiter konkretisiert in nationales Recht umgesetzt werden müssen, drohen hierzulande deutliche Eingriffe in die eingespielten Strukturen der Selbstverwaltung, die lediglich zu einer Überbürokratisierung führen. Auch die Bevölkerung könnte dadurch das mühsam aufgebaute Vertrauen in das System der Organspende und Organtransplantation verlieren.
Der Deutsche Bundestag und auch das Bundesgesundheitsministerium sind deshalb gut beraten zu versuchen, solche Eingriffe der Europäischen Union zu verhindern oder zumindest zu minimieren. Als ein erster Schritt in diese Richtung ist der Beschluss des Bundestages zu werten, der jetzt mit den Stimmen der Union, der SPD und der Grünen getroffen wurde. Er setzt sich für eine genaue Überprüfung des Richtlinienentwurfs des Europäischen Parlaments und des Rates ein. Vor allem will das deutsche Parlament klären lassen, ob die EU-Richtlinie in die innerstaatliche Organisationshoheit eingreift und die derzeitige Stiftungslösung tangiert.
Der Vorschlag der Europäischen Kommission, Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Transplantation von Organen in einer Richtlinie europaweit festzuschreiben, stammt vom Dezember 2008. Sie soll die Sicherheit von Organtransplantationen in den Mitgliedstaaten der EU erhöhen und den Mangel an Spenderorganen sowie den illegalen Organhandel bekämpfen. Grundsätzlich ist dies zu begrüßen. Denn bisher unterscheiden sich die Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen für Organe, die zur Transplantation bestimmt sind, erheblich in den einzelnen Ländern. Fraglich ist jedoch, ob sich die Probleme des europaweiten Organmangels mit der Richtlinie lösen lassen.
Kritikwürdig bleibt die Formulierung des Artikel 18 des Richtlinienentwurfs. In ihm verwendet die EU-Kommission den Begriff „Behörde“ und legt damit nahe, dass ausschließlich staatliche Stellen die Einhaltung der Qualitäts- und Sicherheitsstandards in den einzelnen Mitgliedstaaten gewährleisten sollen. Andere Strukturen, wie die hierzulande praktizierte Betrauung einer Stiftung, könnten damit ausgeschlossen sein. Es ist deshalb zu begrüßen, dass der Bundestag in seiner jüngsten Beschlussempfehlung die Europäische Kommission zu einer Klarstellung auffordert.
„Die vorgeschlagene Richtlinie der Europäischen Kommission darf die bewährten Verfahren in Deutschland nicht gefährden. Zuviel Bürokratie kann den Patienten schaden“, erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Annette Widmann-Mauz, im Anschluss an die Beratungen. Auch der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Dr. med. Peter Liese, bezweifelt, ob alle von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen erforderlich sind und mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang stehen. „Die Transplantationsmedizin in Deutschland funktioniert gut“, sagte der Europapolitiker. Durch die Bundesärztekammer sei ein effektives Kontrollsystem errichtet worden.
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin