

Ausgangspunkt ist die Loslösung, das Empfinden des Betroffenen: „So kann’s mit mir nicht weitergehen“, die in der Desintegration des alten Selbst kulminiert. Nach einer Phase der Neuorganisation gliedert sich die gewandelte Persönlichkeit wieder in ihr Umfeld ein. „Krankheitsverläufe und Lebenskrisen können dann als Wandlungskrisen bezeichnet werden, wenn es im Anschluss an die Krankheit oder Krise zu einer positiv bewerteten Änderung kommt. Diese kann sich biomedizinisch zeigen, zum Beispiel durch eine bessere körperliche Gesundheit, psychisch durch größere seelische Belastungsfähigkeit und sozial durch eine höhere psychosoziale Kompetenz.“ Diesen positiven Ausgang eines Krisenverlaufs bezeichnet Kraft als „PlusHeilung“. Er untermauert seine Thesen anhand von Fallbeispielen berühmter Persönlichkeiten wie Sigmund Freud oder Joseph Beuys und illus-triert sie durch die Diskussion von bekannten Mythen, wie zum Beispiel des Gilgameschepos.
Die Originalität des Gedankenansatzes und der Einbezug interdisziplinären Denkens ist diesem Buch hoch anzurechnen. Die Anwendung eines ritualtheoretischen Bezugsrahmens kann von denjenigen Praktikern als Quelle für Gedankenanregungen genutzt werden, die in der Psychotherapie mit Ritualen arbeiten.
Das Buch diskutiert auch atypische Wahrnehmungsmuster im Kontext von Krisensituationen, die nach Kraft als durchaus typisch verstanden werden können. Damit trägt er zu einer Entstigmatisierung des krisenhaften Geschehens bei. Kritikpunkt: die etwas marktschreierisch wirkende Betitelung der Thesen als PlusHeilung. Das Wiedergewinnen von Stabilität und Orientierung nach einer Krise ist erfreulich genug, sie braucht nicht durch weitere Pluspunkte aufgehübscht zu werden. Vera Kattermann
Hartmut Kraft: PlusHeilung. Die Chancen der großen Krisen. Kreuz, Stuttgart 2008, 199 Seiten, gebunden, 17,95 Euro
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