

Die Arzthelferin kommt in das Sprechzimmer. „Herr Doktor, der Patient XY hätte gerne Ihre Mobilfunknummer.“ Ich bin entsetzt über die Ausweitung der Sprechstundenzone. Nicht auszudenken, wenn er mich – shoppend im Supermarkt – fernmündlich festnagelt und die Warteschlange vor der Käsetheke gierig meine Erläuterungen von A bis Z, von Auswurf bis Zöliakie, goutiert. Ich teile der Arzthelferin mit, dass meine Mobilfunknummer kryptisch bleiben soll. „Herr Doktor, er möchte auch Ihre private Telefonnummer wissen.“ Schreckliche Szenen spielen sich vor meinem geistigen Auge ab. Nicht vorstellbar, wenn ich am Samstagabend im Wohlfühlbad sitzend, Rotwein genießend und die Gummiente bespielend, mich plötzlich zu Antidepressiva äußern soll. Meine Privatnummer bleibt somit ebenfalls okkult. „Er würde auch gerne wissen, wo Sie wohnen.“ Ich zucke zusammen, die Vorstellung, nachts um drei aus dem Bett geklingelt zu werden, während ich mich den Träumen paradiesischer Regelleistungsvolumina hingebe, lässt mich frösteln. Auch meine Adresse, so sage ich der Helferin, fällt unter die Schweigepflicht.
Ich kann die Patienten ja verstehen, dass sie jederzeit ihren Doktor parat haben wollen, auch unter Ausnutzung aller denkbaren Kommunikationsmittel. Denn Krankheiten kennen keine Ruhepause, kein Wochenende, keinen Nachtschlaf. Ich bin aber weder eine allzeit bereite Maschine noch eine Krankheit. Zur Rekonvaleszenz von der Sprechstunde, so gestehe ich freimütig, brauche ich halt auch mal die Gummiente in der Badewanne. Ganz ungestört, ohne dass mir jemand dazwischenfunkt.
Dr. med. Thomas Böhmeke
ist niedergelassener Kardiologe in Gladbeck.
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.