

Nach einer eingehenden Betrachtung von Goethes Beziehungen zu seinen Eltern und seiner Schwester, die für Goethes kreative Entwicklung sehr bedeutend waren, beschreibt Holm-Hadulla, wie Goethe von der Adoleszenz bis ins hohe Alter immer wieder Freundinnen, Freunde und Mentoren fand, deren Unterstützung er in seiner Verzagtheit und Melancholie selbsttherapeutisch nutzen konnte. Dies wird leicht und unverkrampft erzählt, und die interessanten neuen Befunde, zum Beispiel zu Goethes Sexualleben, sind eingebettet in gut nachvollziehbare Interpretationen von Gedichten und Dramen. Der Leser ist angetan von der guten Lesbarkeit angesichts des intellektuellen Perspektivenreichtums. Überzeugend wird in dem Kapitel „Goethes gesunde Krankheit“ dargestellt, dass Goethe immer wieder an leichten bis mittelgradigen depressiven Verstimmungen litt, die er in einzigartiger Weise für seine künstlerische und praktische Arbeit nutzen konnte.
Aus Goethes Leben und Wirken werden Strategien zur Entwicklung von alltäglicher Kreativität abgeleitet. Goethes Weg zur Kreativität wird mit modernen Prinzipien von Psychotherapie und Lebenskunst verglichen, und es werden interessante Aspekte für die heutige Praxis entwickelt. Die Lektüre dieses Buchs ist nicht nur ein großes intellektuelles Vergnügen, sondern auch von lebenspraktischer Bedeutung.
Manfred Cierpka
Rainer M. Holm-Hadulla: Leidenschaft: Goethes Weg zur Kreativität. Eine Psychobiographie. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, 266 Seiten, kartoniert, 19,90 Euro
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