STATUS
Busunglück auf der Autobahn 2: Schnelle Hilfe dank enger Vernetzung der Ressourcen
; ;


Es war das schwerste Busunglück in Deutschland seit 15 Jahren: 20 Menschen starben am 4. November auf der Autobahn 2 nahe Hannover.
Als die ersten Einsatzkräfte um 20.40 Uhr die Unfallstelle erreichten, hatten sich 13 Personen selbstständig aus dem brennenden Bus gerettet, wogegen es für 20 weitere Personen im hinteren Teil des Fahrzeugs kein Entrinnen gegeben hatte. Nach Eintreffen des LNA um 21.08 Uhr wurden die Patienten nach entsprechender Sichtung unverzüglich in die Kliniken gebracht. Die ersten schwerverletzten Patienten verließen um 21.10 Uhr die Einsatzstelle. Der letzte leichtverletzte Patient wurde um 21.59 Uhr transportiert. Sieben Patienten mit Brandverletzungen und Inhalationstrauma wurden der MHH und sechs leichter Verletzte vier weiteren Kliniken zugewiesen.
Klinischer Ablauf in der MHH
Im Rahmen der Alarmierung der LNA-Gruppe war ein der MHH angehöriger Leitender Notarzt zur Koordinierung der Alarmmaßnahmen in die MHH entsandt worden. Bei seinem Eintreffen um 21.20 Uhr waren die gemäß Notfallplan vorgesehenen Maßnahmen bereits angelaufen, und es wurde eine Einsatzleitung – bestehend aus dem Ärztlichen Leiter, der Pflegedienstleitung und dem Techniker der Betriebsführung vom Dienst – gebildet.
Die genaue Anzahl der aufzunehmenden Patienten war zunächst nicht bekannt; insbesondere nicht, ob es sich um mehr oder weniger als 20 Notfallpatienten entsprechend der Alarmstufen I oder II des Notfallplans der MHH handelte.
Nach Alarmierung der vorrangig betroffenen Disziplinen waren kurzfristig verfügbar:
- neun Ärzte der plastischen, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (PHW-Chirurgie), davon drei Diensthabende und sechs Alarmierte
- 24 Ärzte der Unfallchirurgie, davon fünf Diensthabende und 18 Alarmierte, zusätzlich ein LNA vor Ort
- 23 Ärzte der Anästhesiologie, davon sechs Diensthabende, drei Rufdienste und sieben Alarmierte, zusätzlich vier Ärzte der LNA-Gruppe und ein Notarzt vor Ort sowie zwei Notärzte auf den beiden alarmierten Intensivtransportwagen
- 44 Pflegekräfte, davon 17 Bereitschaftsdienste der operativen Disziplinen und drei Pflegekräfte des Schlüsselpersonals der Zentralen Notfallaufnahme (ZNA)
- ein Bronchoskopie-Dienst der Abteilung Pneumologie
- ein Techniker der Betriebsführung sowie
- zwei Seelsorger.
Als Operationssäle und Intensivbetten waren verfügbar: zehn von 39 Operationssälen und elf von 106 Intensivbetten für Erwachsene, davon drei auf der Intensivtherapiestation für Schwerbrandverletzte.
Die tägliche enge Zusammenarbeit der Beteiligten war – neben der engen Vernetzung der Ressourcen – entscheidend für den reibungslosen Ablauf des Einsatzes. Fotos: Medizinische Hochschule Hannover
Verbrennungen zweiten Grades
Nach der Sichtung wurden die Patienten einem Behandlungsteam – bestehend aus PHW-Chirurg, Anästhesist und Pflegekräften – übergeben. Die Patienten wurden situationsabhängig noch in der ZNA intubiert und im Anschluss der weiteren Diagnostik und chirurgischen Versorgung zugeführt. Alle sieben Patienten zwischen 46 und 76 Jahren wiesen Verbrennungen zweiten Grades auf (meist im Gesicht und an den Händen), überwiegend in Verbindung mit einem Inhalationstrauma.
Die Patienten, die zugeordneten Behandlungsteams sowie der Verbleib der Patienten wurden von der Einsatzleitung dokumentiert. Auf Grundlage dieser Daten erfolgte nach dem Abschluss der Aufnahme eine zweite Sichtung auf den Stationen, um den Zustand der Patienten dort erneut zu beurteilen. Im weiteren Verlauf konnten alle Patienten – teils nach mehrwöchiger Behandlung – in die Rehabilitation oder nach Hause entlassen werden.
Reibungsloser Ablauf
Festzuhalten bleibt, dass 44 Minuten nach der Alarmierung beginnend innerhalb von 45 Minuten sieben Brandverletzte in die MHH aufgenommen wurden. Der Vorlauf für die Klinik war relativ kurz, da keine technische Rettung der Überlebenden erforderlich war und der Schadensort nur wenige Kilometer entfernt lag. Trotz der kurzen Vorlaufzeit konnten mehr als 100 Mitarbeiter aktiviert werden, sodass eine problemlose individualmedizinische Versorgung gesichert war – was auch bei einem erhöhten Aufkommen an Patienten mit Begleitverletzungen möglich gewesen wäre. Die Entscheidung, alle Brandverletzten in die MHH und nur Nichtbrandverletzte in andere Kliniken zu bringen, wurde vom Einsatzstab der Feuerwehr getroffen, um eventuell erforderliche überregionale Patientenverlegungen von einer zentralen Stelle aus vornehmen zu können. Dazu wurden überregionale Rettungsmittel angefordert und in Marsch gesetzt, die nach Klärung der Lage und genauer Kenntnis der Zahl der Überlebenden wieder entlassen werden konnten.
Der insgesamt reibungslose und erfolgreiche Ablauf ist auf die enge Vernetzung der präklinischen und klinischen Ressourcen mit abgestimmten Notfallplänen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Kliniken, auf regelmäßige Übungen und nicht zuletzt auf die tägliche enge Zusammenarbeit der Beteiligten zurückzuführen. Das EVK-Konzept hat sich damit in einem überschaubaren Rahmen bewährt.
Dr. med. Andreas Steiert
Klinik für Plastische, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie, MHH
Dr. med. Axel Gänsslen
Unfallchirurgische Klinik, MHH
Prof. Dr. med. Hans Anton Adams
Stabsstelle für interdisziplinäre Notfall- und Katastrophenhilfe, MHH
Organisatorische Grundlagen
Großschadensereignisse sind durch den Massenanfall von Verletzten (MANV) gekennzeichnet, deren präklinische Versorgung in Notfallplänen von Feuerwehr und Rettungsdienst vorbereitet ist. Auch die Kliniken sind zur Erstellung von Notfallplänen verpflichtet, die regelmäßig äußere und innere Gefahrenlagen und darunter auch den MANV-Fall berücksichtigen. In Hannover und anderen Städten ist darüber hinaus das Konzept der Erstversorgungsklinik (EVK) etabliert. Ab einer bestimmten Patientenzahl werden in Hannover bis zu vier EVK alarmiert, die sich – gegebenenfalls unter Nutzung aller personellen und materiellen Ressourcen – auf die Erstversorgung vital bedrohter und schwerverletzter Patienten konzentrieren.
Die MHH hat im Rahmen dieses EVK-Konzepts regelmäßig geübt. Dies hat sich jetzt bewährt. Hervorzuheben ist die gute Zusammenarbeit der Klinik für Plastische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie (Dr. Andreas Steiert, Prof. Dr. Hans-Oliver Rennekampff, Prof. Dr. Peter Vogt), der Klinik für Unfallchirurgie (Dr. Axel Gänsslen, Prof. Dr. Christian Krettek) und der Stabsstelle für Interdisziplinäre Notfall- und Katastrophenmedizin (Dr. Andreas Flemming, Prof. Dr. Hans Anton Adams).
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.