

Ehrlich gesagt, bin ich leicht entsetzt, wie im Hauptorgan der verfass-ten deutschen Ärzteschaft im Editorial mit diesem Thema umgegangen wird. Immerhin waren es Ärzte – darunter auch aus Deutschland – die endlich durchsetzen konnten, dass zum Schutze von Patienten und Ärzten auch für Ärztinnen und Ärzte Mindestanforderungen an die Begrenzung von überlangen Arbeitszeiten überall in Europa gelten. Und auch in anderen Bereichen gilt: Wenn sich Mitgliedstaaten nicht daran halten, wird das bestraft. Und keiner schließt daraus, dann die entsprechende Richtlinie wieder zu ändern. Ärzte und Patienten haben überall in Europa ein Recht auf Rechtssicherheit und darauf, dass Schutzvorschriften, die beim Busfahrer und Piloten offenbar unschwer jedem einleuchten, auch im Gesundheitswesen gelten. Daher ist es uneingeschränkt zu begrüßen, dass sich 2008 und bislang wenigstens und immerhin das Europäische Parlament für diese Rechte und diesen Schutz eingesetzt hat. Wenn vernünftige Arbeitsbedingungen herrschen würden, dann wäre das Problem des Ärztemangels in Deutschland auch nicht so groß. Und warum kann nicht wenigstens das Organ der deutschen Ärzteschaft mutig die Forderung nach vernünftigen Arbeitszeiten auch für Krankenhausärztinnen und -ärzte, eine (nicht nur daraus folgende) angemessene Personalausstattung in deutschen Kliniken und eine angemessene Vergütung für alle Ärztinnen und Ärzte unterstützen? Deutsche Klinikärzte haben mit die höchste Arbeitsbelas-tung im europäischen Vergleich, wir sind die letzten, die dem ewigen Gejammere der deutschen Kranken-hausgesellschaft auf den Leim gehen müssen. Und: Solange Ärztinnen und Ärzte im bekannten Ausmaß für nicht ärztliche bürokratische und sonstige Tätigkeiten missbraucht werden, gibt es vielleicht ja andere Ideen, die Engpässe bei den Ärztinnen und Ärzten zu bekämpfen, als zu gefährlich langen Arbeitszeiten zurückzukehren!
Dr. Heidrun Gitter, Leitende Oberärztin Kinderchirurgie, Vizepräsidentin der Ärztekammer Bremen, Rockwinkeler Heerstraße 128, 28255 Bremen
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