DEUTSCHER ÄRZTETAG
Weiterbildung: „Wir wollen es genau wissen“


H. Hellmut Koch:„Die Weiterbildungliefert die wesentli-che Strukturqualitätfür die Patienten-versorgung.“
TOP V - Sachstandsbericht zur (Muster-)Weiterbildungsordnung
Der Startschuss ist gefallen. Weiterbildungsbefugte sowie Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung können sich innerhalb der nächsten sechs bis acht Wochen an einer bundesweiten Umfrage zur Situation der Weiterbildung beteiligen. Vor dem 112. Deutschen Ärztetag in Mainz kündigte der Vorsitzende der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. H. Hellmut Koch, an, dass das Online-Portal zur Befragung in dieser Woche freigeschaltet wird. Bei dem Projekt geht es darum, Stärken und Schwächen des derzeitigen Systems aufzuzeigen und die Qualität der Weiterbildung zu verbessern, wie Koch betonte. „Die Weiterbildung liefert die wesentliche Strukturqualität für die Patientenversorgung“, erklärte er. „Deshalb ist eine Überprüfung notwendig.“
Zumal man bei der Beurteilung der Lage zurzeit auf Spekulationen angewiesen sei. Kritiker machen die mangelnde Qualität der ärztlichen Weiterbildung dafür verantwortlich, dass viele junge Ärzte Deutschland den Rücken kehren oder in andere Tätigkeitsfelder abwandern. Auf der anderen Seite genießen Ärzte aus Deutschland im Ausland offenbar hohes Ansehen. „Wir wollen es genau wissen“, sagte Koch jetzt in Mainz.
Die Regelung der ärztlichen Weiterbildung ist eine der Kernaufgaben der Landesärztekammern, wobei der Deutsche Ärztetag die Rahmenvorgaben beschließt. Mit Ausnahme von Sachsen beteiligen sich deshalb auch alle Landesärztekammern an der Evaluation der Weiterbildung, die die BÄK koordiniert. Die Ärzteschaft lässt sich das Projekt einiges kosten. 818 000 Euro stehen dafür zur Verfügung.
Zunächst sind erst einmal die Weiterbilder gefordert. Sie händigen den Ärzten in Weiterbildung die Zugangscodes aus, die für die Teilnahme an der Online-Befragung notwendig sind. Dieses Verfahren hatten Kritiker bereits im Vorfeld des Ärztetags bemängelt. Die Gefahr bestehe, dass der Befugte die Codes aus Angst vor einem schlechten Abschneiden zurückhalte. „Es ist nicht gut, dass die Assistenten ihre Zugangsdaten nur über die Weiterbilder erhalten“, meinte denn auch in Mainz Prof. Dr. med. Cornelia Krause-Girth, Frankfurt am Main. „Diejenigen, die besonders kritisch sind, werden wir so nicht erreichen. Da wird sich kein realistisches Bild ergeben.“
Koch versuchte, das Misstrauen zu zerstreuen: „In der Schweiz funktioniert dasselbe Verfahren seit Jahren problemlos.“ Außerdem habe jede Landesärztekammer eine Hotline eingerichtet, an die man sich bei Schwierigkeiten wenden könne. Die Kammern verfügten schlicht nicht über die Daten, um die Ärzte in der Weiterbildung direkt anzuschreiben. Der Appell des Ärztetages an den medizinischen Nachwuchs lautete deshalb: „Fordern Sie Ihre Zugangscodes ein!“
Doch auch die Weiterbilder sah der Ärztetag in der Pflicht. „Die Evaluation hat das Zeug, zu einem Highlight der Selbstverwaltung zu werden“, erklärte Dr. med. Wolfgang Schaaf, Straubing. „Aber die Teilnahme ist das entscheidende Maß. Wir müssen Weiterbilder und Weiterbildungsassistenten dazu ermutigen.“
Doch Kritik entzündete sich auch daran, dass eine Veröffentlichung der Umfrageergebnisse in dieser ersten Runde noch nicht zwingend vorgeschrieben ist. Dann, so die Befürchtung, werde die Befragung nichts nützen. Weiterbildungsexperte Koch hob jedoch hervor, dass die Umfrage sich zu einem kontinuierlichen Instrument der Qualitätssicherung entwickeln solle. Sie wird regelmäßig alle zwei Jahre wiederholt, und „ab 2011 müsssen auch die Ergebnisse veröffentlicht werden“, sagte Koch. Es stehe auch jetzt schon jeder Klinik oder Praxis frei, ihre Umfragewerte freiwillig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Ärzte in der Weiterbildung würden in jedem Fall über das Abschneiden ihrer Abteilung informiert.
Ein Blick auf dieAnträge der Dele-gierten offenbarte:Die Weiterbildungist ein Garant fürkontroverse Diskus-sionen auf Deut-schen Ärztetagen.
Kritik müssen sich die Landesärztekammern gefallen lassen, wenn es um die bundeseinheitliche Umsetzung von Weiterbildungsbeschlüssen Deutscher Ärztetage geht. Sie verläuft häufig nur schleppend oder unzureichend. Noch immer ungelöst ist beispielsweise das Problem, dass Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sich nicht an den Beschluss aus dem Jahr 2003 gehalten haben, die Fächer Innere und Allgemeinmedizin zum Gebiet „Innere und Allgemeinmedizin“ zusammenzuführen. Die Folge: Ärzte, die eine hausärztliche Weiterbildung anstreben, durchlaufen dort eine andere Weiterbildungsordnung als im Rest des Landes.
Dieses konkrete Problem sparte der Ärztetag in Mainz aus. Diskutiert wurde lediglich über die Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung, wobei sich das Ärzteparlament dafür aussprach, die Änderungen aus dem GKV-Organisationsweiterentwicklungsgesetz zügig umzusetzen. Das Gesetz verpflichtet den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin umfassender und angemessener als bisher zu fördern. Denn noch immer sind Ärzte, die sich in Praxen niedergelassener Ärzte weiterbilden, in der Regel deutlich schlechter gestellt als ihre Kollegen im Krankenhaus.
Außerdem kündigte Weiterbildungsexperte Koch in seinem diesjährigen Sachstandsbericht an, dass die (Muster-)Weiterbildungsordnung von 2003 angepasst werden muss. Erforderliche Änderungen sollen nun zum ersten Mal in einem sogenannten zweistufigen Normsetzungsverfahren beraten werden. Das heißt, die Landesärztekammern werden bereits vor dem Mehrheitsbeschluss durch den Deutschen Ärztetag in die Entscheidungsfindung eingebunden, damit, wie Koch betonte, die Umsetzung möglichst einheitlich erfolgen kann.
Die Anpassung der (Muster-)Weiterbildungsordnung wird nach dem Willen der Delegierten 2011 beim 114. Deutschen Ärztetag beraten. Ursprünglich hatte der BÄK-Vorstand dies bereits für 2010 vorgesehen – ein Tempo, das auch Dr. med. Andreas Botzlar, Planegg, befürwortet hätte: „Die Weiterbildungsordnung muss zügig und einheitlich umgesetzt werden. Es darf nicht sein, dass die einen fünf Jahre länger dazu brauchen als die anderen und dann die Erfahrungen, die die anderen bis dahin gemacht haben, auch noch selbst machen wollen.“
Heike Korzilius
Informationen zum Projekt unter:
www.evaluation-weiterbildung.de
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