KULTUR
Beaufort 03: Strandgut, Treibgut, Kulturgut


Die teils fingierten
Grundrissreste der
Abtei Ten Duinen
(1138) in Koksijde
des Niederländers
Krijn de Koning
Fotos: Koen deWaal, 2009
Der Wind weht, wohin er will, an Flanderns belgischer Nordseeküste bei vermutlich auszuhaltenden Beaufortstärken. Beaufort: Vor allem ein Sturm aus Kunst, Projekten und Installationen soll bis zum 4. Oktober die flämische Küste entlangfegen. Der Titel indes hat viel mit den Naturgegebenheiten des Ausstellungsorts zu tun, mit seiner ungemein vitalen Natur. Sir Francis Beaufort, 1774 in Irland geboren, entwickelte eine immer noch gültige Windstärkeskala, die zwölf Stufen zählt: von null (windstill) bis zum Orkan (zwölf).
Die belgische Küste ist zunehmend touristisches Krisengebiet. Nicht zuletzt auch deshalb lockt schon zum dritten Mal seit 2003 eine international ausgerichtete Kunsttriennale mit Werken, überwiegend direkt am Meer installiert, die sich in der Badehose erreichen lassen – und bei Regen hat man ohnehin nichts Besseres zu tun. Anders in diesem April: Der Frühling hat fast mit einem Frühsommer getauscht, nach einem nicht enden wollenden Winter. Sogar ein Reporter von „La Stampa“ stapft an diesem Morgen durch den Sand bei Bredene. Der Zufallsfund eines erschlafften roten Luftballons mit einem Zettelchen daran, auf dem „Marieke und Gerry, die bald zu dritt sein werden“, alles Gute gewünscht wird, bringt sich in einen surrealen Zusammenhang mit einem schlierig verrosteten, oktaederhaft mannshohen Würfelwesen, das am Strand gelandet ist: Strandgut, Treibgut, Kulturgut? Eine der auch deutschsprachig bestückten Hinweistafeln versucht aufzuklären.
Am Strandübergang zeigt der Amerikaner Sterling Ruby einen Quader, der die regenbogenartige Himmelsdramatik aufnehmen möchte. Und auf dem Weg zum Auto oder zur Küstenstraßenbahn, mit der sich die gesamte 65-Kilometer-Kunstküste entlangschaukeln lässt, duckt sich Niek Kemps rotstählernes, kunstvolles Pavillon-Labyrinth in den weißen Sand. Ähnlich erhaben-sakrale Meeresmarkierungen liefern etwa auch Aeneas Wilders zwölf Meter hohe Holzkuppel in Middelkerke-Westende oder, ebenfalls dort, der am Dach mit grünem Neonlicht umkränzte Wasserturm von Tamar Frank. Evan Holloways am weiten Strand von Sint-Idesbald gesetztes Riesensegel aus Silber- und Kupfergeflecht soll die Witterung ans Material gehen: „Never good enough“ ist im pfeifenden Windsegel zu lesen – und tatsächlich unterliegt die Kunst der vitalen Natur. Oder die Kunst wird, etwa am Strand von De Haans freilichtmusealer Bäderpracht, in einem Gute-Laune-Arrangement von Daniel Buren, der eine Kompanie gestreifter Windbeutel an der Stange antreten lässt, zur Dekoration.
Sterling Rubys
Quader möchte die
regenbogenartige
Himmelsdramatik
aufnehmen.
Das Ganze hat aber wohl auch einen Kunstmarkt-Aspekt. Der deutsche Sammler Harald Falkenberg wies kürzlich darauf hin, dass sich der Fokus des Handels mit junger zeitgenössischer Kunst zunehmend auf die Biennalen und vergleichbare Veranstaltungen verschieben werde. Die Kunsttriennale ist noch bis zum 4. Oktober zu sehen. Informationen unter www.beaufort03.be.
Roland Groß
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