POLITIK
Migranten- und Flüchtlingsfamilien: Besondere Belastung


Die Väter aus Migrations- oder Flüchtlingsfamilien leiden, wenn sie nicht arbeiten können oder dürfen. Dies kann zu einer psychischen Belastung für die ganze Familie werden. Foto: iStockphoto
Der Titel der diesjährigen Ausgabe lautet „Familien in Deutschland – Beiträge aus familienpsychologischer Sicht“. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Beschäftigung mit Migrations- und Flüchtlingsfamilien in Deutschland. „Bereits die Entstehung der Familien kann sich sehr unterscheiden“, betonte Uslucan. Deutsche wollen in der Regel eher erst eine ökonomische Basis schaffen, bevor sie Kinder bekommen. „Bei Migrationsfamilien haben statt- dessen Kinder eine enorme Bedeutung und kommen meist bereits in den ersten Ehejahren zur Welt“, sagte Uslucan. Es sei ein Irrtum, dass automatisch in der zweiten oder dritten Generation eine Angleichung der Lebensverhältnisse stattfinden würde. Familien mit Migrationshintergrund sollten zudem nicht immer auf Extreme reduziert werden: „Es gibt mehr als den Parteivorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, auf der einen und gewalttätige Schulabbrecher auf der anderen Seite“, betonte er.
Eltern und Kinder sind häufig mit der Situation überfordert
Ein Problem sei aber immer noch, dass viele Kinder der Migrations- oder Flüchtlingsfamilien bessere deutsche Sprachkenntnisse hätten als ihre Eltern. Das führe zu einem Ungleichgewicht in der Familie, erklärte der Psychologe. Kinder würden zu den „Eltern der Eltern“. Es seien vor allem niedrigschwellige Beratungsangebote notwendig. Besonders wichtig sei es, dass diese auch mündlich mitgeteilt werden.
Die Kinder seien häufig mit der Situation überfordert. Aber auch die Beziehung zwischen den Eltern und Kindern werde belastet und von Ohnmachtsgefühlen dominiert. Diese Erfahrung teilt Eva van Keuk, Psychologische Psychotherapeutin und Präsidiumsbeauftragte für Menschenrechte des BDP. Sie beobachtet dasselbe Phänomen bei Flüchtlingsfamilien. Diese seien einer extremen sozialen Ausgrenzung ausgesetzt. „Viele haben aber einen sehr hohen Bildungsstand“, sagte van Keuk. „Ihre Kinder haben in Deutschland aber häufig keinen Zugang zur Bildung.“ Zudem dürfe der Ernährer der Familie nicht arbeiten, was für die Väter eine hohe psychische Belastung darstelle. Darüber hinaus werde das Familiengefüge auch durch die Art der Unterbringung und soziale Ausgrenzung systematisch zerstört.
Viele Flüchtlinge kämen schon schwer traumatisiert nach Deutschland. Nicht selten seien sie als politisch Verfolgte Opfer von Folter geworden. Psychische Folter ersetze häufig physische Folter, da diese keine sichtbaren Spuren hinterlasse. Für die Opfer sei dies mindestens ebenso schmerzhaft. Daher sei eine Psychotherapie in diesen Fällen sehr sinnvoll, nur müsse man dafür die betroffenen Personen erst einmal erkennen. Diese seien häufig nicht in der Lage, ihre traumatischen Erlebnisse chronologisch korrekt wiederzugeben, was sich häufig negativ auf ihre Glaubwürdigkeit im Asylverfahren auswirke. „Auch für die Kinder ist es eine massive Belastung, wenn ein Elternteil traumatisiert ist“, so van Keuk. „Besonders dann, wenn die deutsche Gesellschaft diese Probleme nicht nachvollziehen kann.“
Sunna Gieseke
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