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Eine deutsche Ärztin in Äthiopien: Nah am Menschen, auf zwei Standbeinen


Viele kleine Privatkliniken
ergänzen
in Äthiopien die
medizinische Versorgung.
Bedürftige
werden in staatlichen
„Health Stations“
kostenfrei
behandelt.
Fotos: Bernd Kubisch
Dass sie später einmal Ärztin werden wollte, wusste Anke Wanger bereits mit elf Jahren. Ihr Kinderarzt hatte eine schwere Fehldiagnose gestellt. „Ich wäre deshalb fast gestorben. Doch die Ärzte im Krankenhaus retteten mein Leben“, erzählt die gebürtige Münchenerin. Nach dem Medizinstudium und ihrer Weiterbildung zur Allgemeinärztin ging sie nach Afrika und machte in der staatlichen Universitätsklinik in Jimma, im Westen Äthiopiens, zunächst Erfahrung mit bitterer Armut, Überbelegung, Ärztemangel und bescheidener Bezahlung.
Heute arbeitet die 31-Jährige in der kleinen privaten Wosene Higher Clinic in Addis Abeba, das 2 500 Meter hoch liegt. Die Münchenerin fährt den größten Teil der Strecke im meist beengten Minibus zur Arbeit, nur ein kleines Stück im sehr billigen Taxi. „Ich fahre und reise gern wie die Einheimischen. Das bringt mir Land und Leute näher“, sagt sie und ruft dem Busfahrer zu: „Hinter der Ampel bitte anhalten.“ Die Deutsche, die Jeans und weiße Bluse trägt, spricht gut amharisch – die wichtigste Sprache des Landes.
In der Straße vor der Klinik trifft die Allgemeinärztin Natnael. Der 26-Jährige fährt den fast neuen Ambulanzwagens der Wosene-Klinik. „Der ist aus Deutschland importiert“, erzählt er stolz. Das Prunkstück von Wosene ist aber die Röntgencomputertomografie (CT). „Wir haben das wohl beste CT in der Hauptstadt“, meint Radiologe Dr. Yonas Tadesse. So gut wie alle Kliniken schickten ihre CT-Patienten zur radiologischen Untersuchung hierher. Anke Wanger nickt: „Es ist weniger eine Klinik als eine erweiterte Praxis. Wir können sechs Patienten bis zu 72 Stunden aufnehmen, zum Beispiel wenn wir bei schweren Durchfallerkrankungen Infusionen geben. Zwölf Ärzte arbeiten auf Abruf, davon vier fest angestellt.“ Die Deutsche ist hier als Konsiliarärztin tätig.
Unterstützung bekommt das Team von den vier Krankenschwestern. „Das ist ein hoch angesehener Beruf in Äthiopien“, erläutert Shoiaye Kassa. Die 32-Jährige ging drei Jahre aufs Nursing College: „Damals war das noch kostenlos, heute leider nicht mehr.“ Die Schwester und ihre Kolleginnen vernähen auch Wunden, öffnen Abszesse und können CT-Basisergebnisse auswerten. „Die Krankenschwester-Ausbildung und auch die Tätigkeit sind sehr anspruchsvoll in Äthiopien. Besonders auf dem Land müssen die Schwestern sehr selbstständig sein, da der nächste Arzt oft weit weg ist“, ergänzt Wanger.
Rund 1 200 Birr (keine 80 Euro) monatlich erhält anfangs ein General Practitioner in einem staatlichen Krankenhaus, auch an der Uniklinik in Jimma. „Dort hatte ich das Gefühl, nach Strich und Faden ausgenutzt zu werden“, erinnert sich Wagner. „Zwei General Practitioners mussten sich um 150 Patienten kümmern. Oft war ich sogar alleine für so viele Menschen zuständig.“ Denn zeitweise hätten die Chirurgen gestreikt wegen der katastrophalen Personalsituation. „Mir waren dann oft die Hände gebunden. Menschen starben“, schildert die Deutsche ihre Zeit in Jimma – „Jimma war eine harte Praxis.“
Das wohl beste
CT in der Hauptstadt
– Yonas Tadesse
im Fachgespräch
mit der
deutschen Konsiliarärztin
Anke Wanger
„Als in der Uniklinik endlich mehr Ärzte eingestellt wurden und die Lage halbwegs unter Kontrolle war, wollte ich Neues erkunden und Geld verdienen“, erzählt Wanger. Ein Freund in der Stadt hatte eine ärztliches Laboratorium. So begann die Münchenerin mit Marketing, Public Relations und Training. Heute hat sie ein weiteres berufliches Standbein: In Addis Abeba bietet sie mit ihrer kleinen Consul-tingfirma Persönlichkeitsentwicklungs- und Motivationstraining an, unter anderem für das Kinderhilfswerk UNICEF, für Privatschulen, Nichtregierungsorganisationen und den Rotary Club. Für sozial engagierte Institutionen arbeitet das Unternehmen kostendeckend ohne Gewinn.
Gefragt nach den besonderen medizinischen Herausforderungen im Land antwortet Wanger: „Infektionen mit Helicobacter pylori sind hier oft endemisch, schätzungsweise 90 Prozent der knapp 79 Millionen Äthiopier haben es. Für viele bleibt es harmlos. Kommt es zum Magengeschwür, gibt es im Lande zwei der zur Dreierkombination nötigen Medikamente, das dritte, Clarithromycin, häufig nicht. Wir müssen es ersetzen. Das ist aber ein kleines Problem im Vergleich zur Epilepsie und ihren Folgen.“ Epilepsie ist in Äthiopien relativ häufig. Die Gründe dafür sind noch nicht ausreichend erforscht. „Basismedikamente haben wir, aber wenn der Patient nicht anspricht, brauchen wir Ausweichmedikamente. Und die haben wir nicht“, so Wanger. Viele Kranken wüssten oft gar nicht, dass sie einen epileptischen Anfall erlitten hätten. „Die sind ins Feuer gefallen, kommen dann wegen der Verbrennungen ins Krankenhaus.“
Die Ärztin und Unternehmensberaterin fühlt sich in Äthiopien recht wohl: „Familie und sozialer Kontakt sind den Menschen sehr wichtig. Nachbarschaftshilfe und Gastfreundschaft sind groß. Das Klima in der Hauptstadt ist angenehm, nachts oft frisch, aber das ganze Jahr trockene Wärme, wie ein italienischer Sommer.“
Kontakt: Dr. med. Anke Wanger, E-Mail: ethiogerman@yahoo.com, Internet: www.wwjctscan.com, awe. cms4people.de
Bernd Kubisch
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