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Koalitionsverhandlungen: Ein kleiner Wurf


Heinz Stüwe
Chefredakteur
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Denn dann wäre deutlich geworden, dass es nicht ausreicht, den für 2010 absehbaren Milliardenfehlbetrag in der gesetzlichen Krankenversicherung irgendwie zu decken – wobei das „Irgendwie“ bis zur Drucklegung dieser Ausgabe nicht einmal entschieden war. Die Politiker stehen in der Verantwortung, eine verlässliche Grundlage für die Gesundheitsversorgung der kommenden Jahre zu schaffen. Dazu gehört auch die finanzielle Basis, aber nicht nur die. Die Steuerungsprinzipien für das Gesundheitswesen müssen klar sein. Wo soll Wettbewerb stattfinden? Wer sind die Akteure, und wer sorgt als Schiedsrichter für die Einhaltung der Regeln? Auch in diesem Punkt war nach zwei Wochen Koalitionsverhandlungen ein Formelkompromiss zu befürchten.
War es naiv, in der deutschen Gesundheitspolitik einen großen Wurf zu erwarten? Ja, heißt es in Kreisen der künftigen schwarz-gelben Koalition. Die Koalitionsvereinbarung wird in der Gesundheitspolitik an vielen Stellen über Grundsätze und Absichtserklärungen nicht hinausgehen. Dabei ist der zu Verhandlungsbeginn noch einmal in Erinnerung gebrachte Appell der Ärzteschaft, dass die Diskreditierung ärztlicher Tätigkeit durch eine neue Vertrauenskultur abzulösen sei, gehört worden. Man wolle nichts gegen die Ärzteschaft machen, verbreiten Teilnehmer der Verhandlungen. Die Koalitionspartner greifen durchaus ärztliche Belange auf: Sie bekennen sich beispielsweise zu einer Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte, die seit Jahren überfällig ist. Sie wollen die Richtgrößenprüfung bei der Arzneimittelverordnung durch Kassenärzte daraufhin überprüfen, ob sie überhaupt notwendig ist. In Medizinischen Versorgungszentren sollen Ärzte künftig das Sagen haben.
So versucht die neue Regierungskoalition, Befürchtungen zu entkräften, der Freiberufler Arzt könnte im Gesundheitswesen der Zukunft durch kapitalkräftige Konzerne an den Rand gedrängt werden. Immerhin. Die Therapiefreiheit des Arztes solle gestärkt werden, heißt es. Schön. Wie, bleibt wohl einstweilen offen. Dabei wäre die Stärkung des freien Berufes Arzt in Klinik und Praxis ein guter Leitgedanke für eine neue Gesundheitspolitik. Anscheinend will aber die neue Koalition ihre Ziele in der Gesundheitspolitik nicht allzu hoch stecken. Wenn allerdings der Kleinmut regiert, lassen sich die Probleme nicht nachhaltig lösen.
Heinz Stüwe
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