POLITIK
Medizinstudierende: Herzlich willkommen!


„Bessere Startbedingungen
als
heute können Sie
kaum erwarten“,
sagte Dr. med.
Cornelia Goesmann,
Vizepräsidentin der
Bundesärztekammer.
Fotos:Svea Pietschmann
Die Ursache für die guten Startbedingungen ist der Ärztemangel, der sich in Deutschland zunehmend manifestiert. Mehr als zwei Drittel aller Krankenhäuser konnten im Jahr 2008 offene Stellen im ärztlichen Dienst nicht besetzen, wie Dr. Thomas Kopetsch, Leiter der Statistikabteilung von KBV und BÄK, errechnete. Während der Anteil an berufstätigen Ärzten über 60 Jahre steigt, sinkt die Zahl der unter 35-jährigen ebenso wie die Zahl der Medizinstudierenden. Bis 2014 werden im deutschen Gesundheitssystem voraussichtlich knapp 42 000 Ärztinnen und Ärzte fehlen.
Viele Kongressteilnehmer kritisierten die schlechten Arbeitsbedingungen in Deutschland und insbesondere die schlecht strukturierte Facharztweiterbildung. „Ich bin vor 14 Jahren nach Großbritannien gegangen, weil es in Deutschland keine Weiterbildungsstellen in der Kinderheilkunde gab“, erklärte Dr. Beate Wacker (44) aus Glasgow. Hasna Soliman (33) bemängelte die schlechten Zustände an den Kliniken: „In Deutschland fehlen häufig Zeit und Interesse, junge Ärzte weiterzubilden. Im Krankenhaus müssen wir stundenlang Arztbriefe schreiben und haben keine Zeit mehr für unsere eigentliche ärztliche Arbeit.“
Goesmann erklärte, die Bundesärztekammer befinde sich zurzeit in der Abstimmung mit dem Verband der Medizinischen Fachangestellten, um die Leistungen zu definieren, die künftig von Medizinischen Fachangestellten ausgeführt werden könnten, um den Arzt zu entlasten. Sie verwies zudem auf ein Curriculum für Ärzte in Führungspositionen, das dazu beitragen solle, das Arbeitsklima in den Krankenhäusern zu verbessern. Auch flachere Hierarchien seien wichtig.
Viele Redner verdeutlichten, dass es bei der beruflichen Zukunft auf das eigene Engagement ankomme. „Überlegen Sie sich vor einem Bewerbungsgespräch genau, was Sie wollen“, riet Prof. Dr. med. Parwis Fotuhi, Leiter der Helios-Akademie der Helios-Kliniken GmbH in Berlin. „Fragen Sie ganz konkret, ob es einen Weiterbildungsplan gibt, einen Fortbildungsplan und Logbücher. Und vergleichen Sie die Kliniken, bevor Sie sich für eine entscheiden. Überlegen Sie sich, was Sie wollen, und fordern Sie es ein. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Sie es auch bekommen.“ Dr. med. Werner Wyrwich, Vorstandsmitglied der Ärztekammer Berlin, erklärte: „Zu einer guten Weiterbildung gehören strukturierte Weiterbildungsprogramme, festgelegte Rotationspläne und tägliche Indikationskonferenzen.“ Um sich ein realistisches Bild einer Station zu machen, sei es sinnvoll, ehemalige Mitarbeiter zu befragen oder für einige Zeit auf der Station zu hospitieren. „Gute Arbeitgeber schließen mit ihren Mitarbeitern Weiterbildungsverträge ab“, so Wyrwich.
Prof. Dr. med. Wolfgang Wagner, Ärztlicher Direktor der Paracelsus-Strahlenklinik in Osnabrück, empfahl den Studenten, sich gewissenhaft auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten. „Dass die Kliniken dringend Ärzte suchen, heißt nicht, dass Sie den Job auf jeden Fall bekommen“, erklärte Wagner. Wichtig seien ein korrektes Anschreiben, sprachliche Fähigkeiten und vor allem Pünktlichkeit. Weniger Bedeutung hätten alte Zeugnisse oder der Familienstand. „Fragen, ob Sie schwanger, krank oder Mitglied in einer Gewerkschaft sind, brauchen Sie nicht zu beantworten“, betonte Wagner auf Nachfrage von Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann, Redakteurin des Deutschen Ärzteblattes und Moderatorin des Kongresses.
„Wir brauchen Ärztinnen“
Rege diskutierten die Studierenden und jungen Ärztinnen und Ärzte auch in diesem Jahr über das Thema „Berufs- und Lebensplanung“. Für sie spielen gerade angesichts des entspannten ärztlichen Arbeitsmarkts familienfreundliche Arbeitsbedingungen eine immer größere Rolle bei der Wahl des Arbeitsplatzes. Dies belegen auch die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Ärzteblattes Studieren.de „Zukunft Arzt“, an der mehr als 700 Studierende aller medizinischen Fakultäten in Deutschland im Frühjahr/ Sommer 2009 teilnahmen und sich zu ihren Einstellungen zum Beruf äußerten (DÄ, Heft 43/2009). 41 Prozent gaben an, im Verlauf ihres Studiums ihren Wunsch beiseitegeschoben zu haben, bald eine Familie zu gründen. An deutschen Krankenhäusern sehen der Internetbefragung zufolge lediglich 14 Prozent die Möglichkeit, ärztliche Tätigkeit und Elternschaft miteinander zu verbinden. Im ambulanten Bereich meinen immerhin etwa drei Viertel der Befragten, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können und flexiblere Arbeitszeiten vorzufinden.
„Sie sollten nicht um familienfreundliche Bedingungen bitten müssen. Sie können Sie inzwischen fordern“, sagte die Ehrenpräsidentin des Deutschen Ärztinnenbunds, Dr. med. Astrid Bühren, und verwies auf eine Checkliste ihres Verbandes, anhand derer man die Familienfreundlichkeit eines Krankenhauses testen kann (www.aerztinnenbund.de). Gleichzeitig forderte Bühren die Teilnehmer des Kongresses zu mehr Selbstbewusstsein auf. „Wir brauchen Sie, besonders auch die Ärztinnen!“ Den Begriff „Feminisierung der Medizin“ verwende sie dabei bewusst nicht, da er häufig nur in einem negativen Zusammenhang gebraucht werde, erläuterte sie. Fakt sei jedoch: 70 Prozent der Studierenden im ersten Semester seien Studentinnen; 54 Prozent der Berufseinsteiger in der Medizin seien weiblich. „Wir bewegen uns von einer Maskulinisierung der Medizin hin zu einer Normalisierung“, so Bühren. Verlässliche Konzepte für Schwangerschaft, Elternzeit und Wiedereingliederung seien deshalb genauso dringend notwendig wie flexible Arbeitszeitmodelle, inklusive Weiterbildung in Teilzeit und Kinderbetreuungsangeboten an den Kliniken.
Falk Osterloh
Amerschläger, Stefan; Constapel, Herbert; Döbber, Peter
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