BRIEFE
Medizin: Ein Holzweg


Das ist zwar legitim, geht aber am Grundproblem der Alternativ- bzw. Komplementärmedizin vorbei. Denn damit wird die Frage ausgeblendet, was denn ein Placebo überhaupt ist. Zwar betonen alle Publikationen über alternative Heilmethoden seit Jahrzehnten deren Überlegenheit über die Placebotherapie, doch keine wurde in strengem Doppelblindversuch durchgeführt, die eine oder andere mag höchstens einem RCT-Design (RCT = randomized controlled trial) folgen.
Umgekehrt sollten wir nicht vergessen, dass ärztliches Ansehen und Therapieerfolge in der vorwissenschaftlichen Ära seit Jahrtausenden nur auf Placebomethoden beruhten. Der renommierte Toxikologe Habermann machte deshalb schon 1995 auf die systemimmanente Überschätzung unseres wissenschaftlichen Instrumentariums aufmerksam und ebenso auf die intrinsische Unterschätzung des Placeboeffekts. Doch leider sind derartige Gedanken über den Wert der Placebotherapie und den Unsinn genereller Verschreibung von Positivlistenpräparaten bei unseren Gesundheitspolitikern und vielen Ärzten, die sich lediglich als Gesundheitsingenieure verstehen, noch gar nicht angekommen. Deshalb dürfte der Versuch einer Integration der Komplementärmedizin in eine (noch) rational-materialistische Schulmedizin ein Holzweg sein. Stattdessen sollte die Komplementärmedizin versuchen, die wissenschaftliche Basis des Placeboeffekts zu vertiefen.
Literatur bei dem Verfasser
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Hans E. Müller, Alter Rautheimer Weg 16, 38126 Braunschweig
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