SUPPLEMENT: Reisemagazin
Mythos Mekong: Buddhas eigener Fluss
Dtsch Arztebl 2009; 106(49): [26]


Bummel nach Norden: Zwei Dutzend Passagiere überlassen sich dem Rhythmus des Mekong.
Vientiane am frühen Morgen. Dies ist die Hauptstadt von Laos, direkt am Mekong gelegen, aber einen Hafen gibt es nicht, auch keinen Anleger, keine Pier. Lastwagen und Ochsenkarren schieben sich rückwärts an die steile Böschung. Träger schleppen Säcke und Körbe in Kolonnen zu den tief liegenden Frachtkähnen hinunter. Im graubraunen Wasser seifen sich die Alten ein, putzen sich Scharen kleiner Kinder die Zähne, waschen Frauen ihre Wäsche. Auch die „Mekong Sun“, der Kabinenkreuzer aus Teakholz, der für die nächsten Tage unser Zuhause sein wird, ist nur durch eine Art Rutschpartie zu erreichen. Starke Hände aus der Mannschaft stützen die Passagiere und balancieren mit ihnen über ein Brett, das die Gangway ersetzt. Kühle Tücher und frisch gepresster Mangosaft zur Begrüßung. Das Abenteuer Mekong beginnt.
Vientiane ist die Metropole eines Landes, das ungefähr so groß wie Großbritannien ist, aber nur knapp sieben Millionen Einwohner hat. Südostasiens einziger Binnenstaat liegt eingeklemmt zwischen China, Burma, Thailand, Vietnam und Kambodscha. Es ist ein nahezu vergessenes Land. Über Jahrzehnte war es abgeschirmt vom sogenannten Bambusvorhang. Erst als in Osteuropa die Diktaturen kollabierten, als sich selbst in den kommunistisch gebliebenen Nachbarländern China und Vietnam die Wirtschaft den Märkten öffnete, suchte auch Laos wieder den Anschluss an die Welt.
„Mekong Sun“: mit acht Knoten den Fluss entlang
Eskorte in ein weltvergessenes Dorf
Bettelmönche bieten Gelegenheit zur guten Tat. Fotos: Bernd Schiller
Der Mekong: 4 350 Kilometer lang, die Lebensader Südostasiens. Aus dem tibetischen Hochland mäandert er in die chinesische Provinz Yünnan, weiter ins Goldene Dreieck zwischen Burma, Laos und Thailand. Über eine lange Strecke bildet er danach die Grenze zwischen Laos und Thailand, bevor er, nach Überwindung hoher Wasserfälle, durch Kambodscha fließt, um sich schließlich vielarmig in Vietnam ins Südchinesische Meer zu ergießen. Der Mekong ist ein rätselhafter Strom, die Mutter aller Wasser, ein Mythos. Die Wissenschaftler nennen ihn den Fluss der tausend Arten, weil er zu den fischreichsten der Welt gehört. Die Menschen an seinem Ufer hingegen sprechen vom Fluss der neun Drachen. Und sie nennen ihn Buddhas eigenen Fluss, denn von der Quelle bis zur Mündung ist er geprägt von Tempeln, Klöstern und Pagoden, die dem Erleuchteten gewidmet sind und deren goldene Spitzen aus dem Grün des Urwaldes leuchten.
Zwölf Kabinen nur hat die „Mekong Sun“, verteilt auf zwei Decks. Höchstens also zwei Dutzend Passagiere, vorwiegend Deutsche, manchmal auch Globetrotter aus aller Welt. Die einen lassen sich von Houmphan, dem genialen Barmann, Kellner und Spaßvogel, einen tropischen Cocktail mixen, die anderen lesen sich schläfrig, und zwischendurch winken alle immer wieder den Kindern an Land zu und den Menschen auf den Booten, die so gemächlich südwärts an uns vorbei tuckern, wie wir nach Norden bummeln. Si, der Koch, bringt viel frischen Fisch und weißes Fleisch auf den Tisch, viele Früchte und Süßes aus der Kokosnuss. Auch Kai Pen wird mit Genuss probiert, das gebratene und gut gewürzte Flussgras, wie man es auch in den Siedlungen isst, die wir auf unseren Landgängen besuchen und die auf uns wirken, als seien sie aus der Zeit gefallen. Zum Beispiel Ba Don Sai Nam, das „Dorf der schönen Sandinsel“. Etwa 50 Familien leben hier, ärmlich, friedlich und, wie es scheint, fröhlich. Jugendliche spielen Ka Tor, kicken auf staubigen Wegen einen Rattanball mit Fuß, Knie und Kopf. Hunde jagen Hühner unter den Pfahlhäusern. Der Rat der Ältesten stellt sich vor, zwei Frauenbeauftragte, Mutter und Tochter, erzählen von ihren Aufgaben. Es ist höllisch heiß, eine Kinderschar eskortiert uns auf einem Wanderweg zu karstigen Zuckerhutbergen, vorbei an gewaltigen Baumriesen und Bambuswäldern.
Auch Luang Prabang, Weltkulturerbe, hat sich stark verändert. Aus vielen Kolonialvillen und Palästen der alten Elite sind Hotels und Reisebüros, Bars und Boutiquen geworden. Wer die schönste Stadt im ehemaligen Indochina von früher kennt, wird es womöglich nicht wiedererkennen. Und doch: Wer in aller Frühe Hunderten von Mönchen zuschaut, die mit ihren Bettelschalen durch die Stadt laufen und den Gläubigen Gelegenheit zur guten Tat bieten, und wer auf dem Berg Phu Si, hoch über den 33 Klöstern von Luang Prabang, den Vormittag verträumt und den Tempelglocken lauscht, deren sanfter Klang wie von Libellen getragen nach oben dringt, wird nicht mehr wissen wollen, ob es früher noch beschaulicher, noch stiller, noch harmonischer gewesen ist. Bernd Schiller
Informationen
Flussreisen: Die „Mekong Sun“ wird erst wieder im Herbst 2010 auf der beschriebenen Route verkehren. Zwischen Januar und Mai verkehrt die neue „Mekong Islands“, etwas kleiner, noch komfortabler, auf anderen Flussabschnitten. Beide Schiffe werden vom Fluss- und Zugreise-Spezialisten Lernidee in Berlin angeboten, www.lernidee.de.
Beste Reisezeit: Oktober bis März.
Literatur: Bester und aktuellster Reiseführer ist der „Laos“-Band aus der Reihe der Stefan Loose Travel Handbücher (DuMont Reisebuchverlag, 23,95 Euro). Der neue, sehr preiswerte Bildband „Reise durch Laos“ aus dem Stürtz-Verlag glänzt vor allem durch schöne Fotos (16,95 Euro).
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