STATUS
Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde im Himalaya: Medizin auf dem Dach der Welt


Wunderschön abgelegen: Nur etwa sieben Monate im Jahr ist die Region Zanskar, im Himalayagebirge gelegen, zugänglich.
Foto Mauritius Images
Ich wollte nach Zanskar, um in den Dörfern Sani und Karsha Hals-, Nasen- und Ohrenuntersuchungen durchzuführen und Hörgeräte anzupassen. Dazu musste ich erst einmal eine LED-Stirnlampe und ein Audiometer auf Basis eines MP3-Players mit Batterien herstellen, weil in den beiden Dörfern kein Strom zur Verfügung steht. Zehn neue Hörgeräte wurden von der Firma Auric gesponsert (inklusive der Batterien).
Nach dem Flug über Dubai, Delhi nach Leh in Ladakh erfolgte erst einmal eine Höhenanpassung auf 3 500 Meter. Dann ging es mit dem Jeep zunächst einen Tag lang bis Kargil, wo schon zwei Patienten abends im Hotel den Arzt aus Deutschland erwarteten. Am nächsten Tag fuhren wir über den Penzi-La-Pass – mit 4 401 Metern weltweit einer der höchsten Pässe überhaupt –, um dann abends in Sani bei der Familie anzukommen, die uns vier Wochen beherbergen und verpflegen sollte.
Schwerhörige
Schüler, die von
Klaus W. Rommelfanger
mit Hörgeräten
versorgt wurden,
blühten sichtbar
auf.
Foto: Klaus W. Rommelfanger
Die Patienten kamen zahlreich und anfangs gleich zu mehreren in das ärztliche Sprechzimmer. Eine persönliche Sphäre war den Leuten nicht geläufig. Meist klagten sie über Zerumen und Ohrenjucken. Schwerhörigkeit und Tinnitus waren eher selten. Schwindel wurde kaum geäußert. Patienten mit Frakturen und Platzwunden suchten den deutschen Hals-Nasen-Ohren-Arzt ebenso auf wie Leute mit Augenproblemen oder Gelenkbeschwerden. Die Schulkinder wurden zunächst mit seitengetrennter Flüstersprache untersucht, wobei schnell schwerhörige Kinder auffielen, die mit Hörgeräten versorgt werden konnten. Großer Andrang herrschte dann noch einmal, als nach einem „Teaching“ des Dalai Lama über die Lautsprecher durchgesagt wurde, dass in Sani ein deutscher Hals-Nasen-Ohren-Arzt arbeite und er Hörgeräte dabeihabe. Die Patienten nahmen zum Teil beschwerliche ein- bis zweitägige Reisen auf sich, um sich von uns untersuchen zu lassen.
Bei der Anpassung und Überlassung von Hörgeräten zeigten sich die Patienten sehr dankbar. Besonders junge Erwachsene erklärten, dass sie durch ihre Schwerhörigkeit sozial abgesondert waren. Die Schüler, die Hörgeräte erhielten, blühten sichtbar auf, als sie besser hören konnten.
Für Patienten mit Trommelfellperforationen vereinbarte ich auf der Rückfahrt im Gouvernment Hospital in Leh Termine zur Tympanoplastik in nächsten Sommer. Medikamente konnten meist aus dem mitgebrachten Vorrat mitgegeben werden oder wurden auf einem Blatt Papier verordnet, um sie in der Hauptstadt Padum in der Apotheke zu kaufen.
Rückschauend war die ärztliche Tätigkeit unter einfachsten Bedingungen eine echte Herausforderung, die aber durch die aufrichtige Dankbarkeit der Behandelten sehr belohnt wurde. Ich hoffe, durch diesen kurzen Bericht auch andere Kollegen zu ermuntern, nach dem Ausscheiden aus der eigenen Praxis noch einmal ohne evidenzbasierte Qualitätskontrollen mit Freude bedürftigen Patienten in fernen Gebieten zu helfen.
Dr. med. Klaus W. Rommelfanger
Kommentare
Die Kommentarfunktion steht zur Zeit nicht zur Verfügung.