POLITIK
Jahresrückblick: Schlaglichter eines Jahres
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Januar
Drei Milliarden Euro mehr – darauf können sich circa 140 000 Vertragsärzte und Psychotherapeuten zu Beginn des Jahres 2009 freuen. So viel Zuwachs soll die Honorarreform den Niedergelassenen bringen. Trotzdem herrscht Katerstimmung: Die Bescheide über die neuen Regelleistungsvolumen lassen viele Ärzte daran zweifeln, dass das Geld auch in den Praxen ankommt.
Barack Obama hat Großes vor: Seine Gesundheitsreform soll allen US-Amerikanern die medizinische Grundversorgung sichern. Medline nimmt das Deutsche Ärzteblatt in seine Datenbank auf. In Bottrop starten Knappschaft und DAK das Projekt elektronische Patientenakte.
Februar
Wie wirksam ist die Impfung gegen das humane Papilloma-Virus? 13 namhafte Wissenschaftler melden erhebliche Zweifel an, das Paul-Ehrlich-Institut hingegen hält den Nutzen für belegt.
Erkennen, wo der Schuh drückt: Die Ärztekammern wollen erstmals Weiterbilder und Assistenzärzte nach der Qualität der Weiterbildung befragen. Die bayerische AOK schließt einen Hausarztvertrag nach § 73 b SGB V: mit dem Hausärzteverband, aber ohne die Kassenärztliche Vereinigung (KV).
11. März, Hanns-Martin-Schleyer-Halle:
Mit Transparenten gegen die Honorarreform. Foto: Horst Rudel
Wütende Proteste in Stuttgart: Rund 8 000 Ärztinnen und Ärzte demonstrieren gegen die Honorarreform. Viele drohen mit dem Ausstieg aus dem KV-System.
DÄ-Serie zur Priorisierung:
Das Ampelsymbol
steht für
die Vorrangigkeit
von Leistungen.
April
Die Zahl der Ärzte steigt weiter, aber immer mehr von ihnen wandern ins Ausland ab. Nach Angaben der Bundesärztekammer arbeiten in Deutschland etwa 320 000 Ärztinnen und Ärzte, 292 000 davon sind kurativ tätig.
Der Marburger Bund schließt einen Tarifvertrag für Ärzte an Universitätskliniken. Erstmals profitieren davon auch Kollegen in der Forschung. Die Zeit drängt: Vertragsärzte müssen bis zum 30. Juni 250 Fortbildungspunkte nachweisen. Das Deutsche Ärzteblatt unterstützt die Ärzte mit zwei umfangreichen cme-Beilagen.
Mai
Ein neuer Virus bereitet Sorgen: A/H1N1. Die Schweinegrippe, später Neue Influenza genannt, wird von der Weltgesundheitsorganisation innerhalb kürzester Zeit auf die höchste Pandemiestufe gesetzt. Auch Deutschland bereitet sich vor.
112. Deutscher
Ärztetag in
Mainz: Diskussion
und Abstimmung
wichtiger Themen. Foto: Jürgen Gebhardt
Juni
Ärger über die Gesundheitspolitik? Ulla Schmidt sieht dafür keinen Grund. Im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt wirft sie den Ärzten fehlenden Veränderungswillen vor.
Mitte des Monats entscheidet sich der Deutsche Bundestag nach intensiven Beratungen für eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung.
Ein spektakulärer Fahndungsfall nimmt ein überraschendes Ende: Jahrelang suchten die Ermittler nach einem „Phantom“, dem aufgrund von DNA-Spuren mehrere Tötungsdelikte vorgeworfen werden. In Wahrheit stammt die DNA von verunreinigten Materialien der Spurensicherung.
Impfung gegen die Neue Influenza:
Genügend Dosen, geringe Nachfrage. Foto: dpa
Beschlüsse im Akkord. Kurz vor der Sommerpause winkt der Bundesrat zahlreiche gesetzliche Regelungen durch: Diamorphin ist keine illegale Droge mehr, sondern ein rezeptpflichtiges Betäubungsmittel; Jugendliche dürfen nicht mehr auf die Sonnenbank; die Ausgaben für die private Krankenversicherung können von der Steuer abgesetzt werden; Palliativmedizin wird Bestandteil des Medizinstudiums; die klinischen Prüfungen von Medizinprodukten müssen künftig genehmigt werden; im Streit um die Sicherheit der Sozialdaten aus Hausarztverträgen gibt es eine Übergangsfrist.
Neue Influenza: Zuerst sollen die Beschäftigten im Gesundheitswesen und Risikogruppen geimpft werden. Die Kritik am Bachelor- und Masterstudiengang in der Medizin reißt nicht ab.
Norbert Blüm und Jürgen Kleditzsch:
Erinnerungen an die Wendezeit im DÄ-Interview. Foto: Michael Peters
20 Jahre deutsche Einheit: Norbert Blüm und Jürgen Kleditzsch, damals Gesundheitsminister ihrer Länder, erinnern sich – an die Wende, an den Umbau Ost und an die „Stunde der Solidarität“.
Alles nur halb so wild bei der Honorarreform? Die KBV legt erste Abrechnungsergebnisse vor und kann nachweisen: Zwei Drittel der Niedergelassenen zählen zu den Gewinnern. Doch die Ergebnisse sind regional und zwischen den Arztgruppen sehr unterschiedlich.
Ulla Schmidt ist im Spanienurlaub, ihr Dienstwagen auch.
September
Der „Bericht zur Situation der Transplantationsmedizin“ – vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben – liegt vor. Er zeigt, dass auch mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes noch viele Probleme ungelöst sind. Notwendig ist ein übergreifendes Konzept, vor allem aber die umfassende Information des Bürgers.
Böse Vorwürfe an die Ärzteschaft: Niedergelassene sollen Prämien für die Überweisung von Patienten an Krankenhäuser kassieren. Die sogenannte Fangprämie stellt sich als komplexes Problemfeld beim Wettbewerb im Gesundheitswesen heraus. Das Beske-Institut rechnet aus, dass im Jahr 2050 circa 23 Millionen Bürger älter als 65 Jahre sein werden – eine gewaltige Herausforderung für die medizinische Versorgung.
Oktober
Ulla Schmidt
geht, Philipp
Rösler kommt:
Führungswechsel
im Bundesgesundheitsministerium. Foto: dpa
Gipfel in Berlin:
Wie sieht die medizinischen
Versorgung
der Zukunft
aus? Foto: Svea Pietschmann
November
Stabübergabe im Bundesgesundheitsministerium: Philipp Rösler bedankt sich bei seiner Vorgängerin Ulla Schmidt, der der Abschied vom Amt sichtlich schwerfällt.
Der zweite Hausärztevertrag ist unterschrieben. Medi und der Hausärzteverband feiern das Abkommen mit den Betriebskrankenkassen in Baden-Württemberg. Auch im Krankenhaus werden die Ärzte knapp. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert deshalb mehr Medizinstudienplätze.
Dezember
Die Impfbereitschaft gegen die Schweinegrippe ist gering – selbst beim medizinischen Personal. Nur 15 Prozent sind inzwischen geschützt. In einem offenen Brief im Deutschen Ärzteblatt ruft Bundesgesundheitsminister Rösler die Ärzte zur Mithilfe auf. Die Bevölkerung soll wieder mehr Vertrauen in die Impfung setzen.
Zum Jahresende werden die Finanzierungslücken beim Gesundheitsfonds für das kommende Jahr immer deutlicher. Erste Rufe nach Kostendämpfung werden laut. In den USA hat das Repräsentantenhaus für die Gesundheitsreform von Präsident Obama gestimmt, das Votum des Senats steht noch aus. In den nächsten zehn Jahren könnte die Reform bis zu einer Billion US-Dollar verschlingen.
Josef Maus, Dr. rer. nat. Marc Meißner
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