ArchivDeutsches Ärzteblatt24/1997SQUID - Herzströme im Magnetfeld

VARIA: Technik für den Arzt

SQUID - Herzströme im Magnetfeld

Kempe, Lisa

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LNSLNS Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich hoffen, mit Hilfe der Magnetokardiographie (MKG) das Risiko für einen plötzlichen Herztod besser vorhersagen zu können. Sie nutzen dafür die schwachen magnetischen Felder, die von Herzströmen ausgehen. Um diese extrem schwachen Änderungen im Magnetfeld ausfindig zu machen, ist eine ultrasensible Technik notwendig. Als Magnetfeldsensoren setzen die Jülicher supraleitende Quanten-Interferenz-Detektoren, sogenannte SQUID, ein. Sie registrieren die Verteilung des Magnetfelds, aus dem sich die räum-liche Verteilung der Herzströme, das Magnetokar- diogramm, ableiten läßt. Während man bisher nur den Tieftemperatur-SQUID eine ausreichende Empfindlichkeit zutraute, glaubt man in Jülich mit einem Hochtemperatur-SQUID der klinischen Anwendung von Magnetokardiographen ein Stück näher gekommen zu sein. Kooperationen mit zwei Kliniken in Berlin und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen sollen die Magnetokardiographie-Forschung weiterbringen. Ihre extreme Empfindlichkeit verdanken die SQUID der Supraleitung. Der holländische Physiker Heike Kamerlingh Onnes entdeckte 1911 dieses Phänomen, als er Quecksilber mit flüssigem Helium auf minus 269 Grad Celsius, fast bis zum absoluten Temperaturnullpunkt, abkühlte. Onnes beobachtete, daß das tiefgekühl- te Quecksilber elektrischen Strom plötzlich ohne Widerstand leitete - die Supraleitung war geboren. Die Aussicht, elektrischen Strom verlustfrei transportieren zu können, aktivierte viele Wissenschaftler auf diesem Gebiet. Bis vor wenigen Jahren gab es nur Supraleiter aus metallischen Werkstoffen. Sie waren nur supraleitend, wenn sie bis in die Nähe des absoluten Nullpunktes abgekühlt wurden. Die Kühltechnik dafür ist aufwendig und kostspielig, da dies nur mit seltenen Gasen wie zum Beispiel flüssigem Helium gelingt.


Funktionsweise
In den achtziger Jahren entbrannte dann ein Wettlauf auf der Suche nach neuen supraleitenden Materialien, ausgelöst durch die Entdeckung der Hochtemperatursupraleiter. Bestimmte keramische Werkstoffe zeigen die Supraleitung schon bei höheren Temperaturen. Als Kühlmittel reicht hier der flüssige Stickstoff. Mit einer Temperatur von minus 196 Grad Celsius kann eigentlich von "Hochtemperatur" keine Rede sein, aber die notwendige Kühlung wurde damit viel einfacher und kostengünstiger. Einer breiteren Anwendung von Supraleitern stand nun nichts mehr im Weg: mit ihnen lassen sich Fernleitungen für den verlustfreien Stromtransport bauen, extrem starke Magnete oder hochempfindliche Magnetfeldsensoren, die SQUID, konstruieren. Der eigentliche SQUID-Sensor ist gerade so groß wie ein Fingernagel und besteht aus einem Ring aus supraleitendem Material. Sobald er auf die niedrige Temperatur abgekühlt ist, kann in ihm der elektrische Strom ohne Widerstand, das heißt frei von Energieverlusten, kreisen. Mit diesen Systemen lassen sich Magnetfeldänderungen detektieren, die nur den hundertmillionstel Teil des Erdmagnetfeldes betragen - gerade noch ausreichend, um die schwachen Herzströme zu registrieren.
Obwohl die Hochtemperatur-SQUID um eine Größenordnung weniger empfindlich sind, erzielen sie in der Diagnostik die gleichen Ergebnisse wie die Tieftemperatur-SQUID. Dies zeigte eine Untersuchung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin an einer Gruppe von 50 Personen, die an Herzrhythmusstörungen litten. Den Testern gelang es mit Hilfe des Magnetokardiogramms, Patienten mit Herzrhythmusstörungen besser von den Gesunden zu unterscheiden als mit dem parallel aufgezeichneten Elektrokardiogramm. Das Magnetokardiogramm enthält offensichtlich mehr Informationen als das EKG. Diesen zusätzlichen Informationsgehalt in den Magnetokardiogrammen wollen die Jülicher Wissenschaftler nun nutzen, um eine bessere Methode für die Risikoabschätzung beim plötzlichen Herztod zu entwickeln, denn bei der Hälfte der Patienten, die an einem plötzlichen Herztod sterben, gibt es vorher keine Anzeichen dafür.

Entwicklungen für die Zukunft
Neben den Herzströmen lassen sich mit den SQUID auch Hirnströme detektieren. Der Magnetsensor scheint dabei in der Lage zu sein, die epileptogenen Zonen bei der fokalen Epilepsie aufzuspüren. Als nichtinvasives Verfahren bietet die SQUID-Technik eine Reihe von interessanten Anwendungsmöglichkeiten. Zur Zeit denkt man in Jülich darüber nach, wie die Magnetokardiographie noch bei anderen Herzkrankheiten, zum Beispiel dem Wolff-Parkinson-White-Syndrom, hilfreich sein kann.
Dr. rer. nat. Lisa Kempe

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