POLITIK
Gemeinsamer Bundesausschuss: Mit Macht ins Zentrum
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DÄ plus


Skulptur mit
Symbolkraft:
Ärzte, Kliniken und
Kassen surfen zuweilen
auf gegenläufigen
Wellen.
Die Vermutung liegt nahe, aber Bildhauer Volkmar Haase hat seine Skulptur „Woge mit gegenläufigen Flügeln“ nicht im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gefertigt. Das Werk des Berliners, das am 18. Januar vor dem wenige Tage zuvor bezogenen neuen Dienstsitz des G-BA in Berlin enthüllt wurde, ist vielmehr eine Dauerleihgabe der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Deren damalige Führungsspitze, Vorstandschef Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm und Hauptgeschäftsführer Dr. Rainer Hess, hatten die Skulptur bereits 2004 vor einer Galerie entdeckt und sich kurzerhand zum Kauf entschlossen. Jetzt schmückt sie den Herbert-Lewin-Platz, an dem auch die Geschäftsstellen der KBV, der Bundesärztekammer (BÄK) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) liegen.
Der Titel des Kunstwerks könnte passender kaum sein. Schließlich ist auch die Arbeit im G-BA geprägt von den gegenläufigen Flügeln des Gremiums, die sich – je nach Beratungsgegenstand – wellenartig aufeinander zu oder voneinander weg bewegen. In der Regel sind es die Krankenkassen und die Leistungserbringer, die im Widerstreit zueinander stehen. Zuweilen surfen aber auch die Vertragsärzte und die Vertreter der Krankenhäuser auf unterschiedlichen Wellen. Letzteres ist vor allem dann der Fall, wenn es um die Einführung von Innovationen geht. Während in den Kliniken alles erlaubt ist, was der G-BA nicht aktiv ausschließt (Verbotsvorbehalt), müssen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für die ambulante Versorgung per Beschluss zugelassen werden (Erlaubnisvorbehalt). Da ist Streit programmiert. Die KBV pocht auf gleiche Wettbewerbsbedingungen, der Erlaubnisvorbehalt müsse auch für die Krankenhäuser gelten. Nach Ansicht der DKG liefe dies jedoch auf eine Rationierung medizinischer Leistungen hinaus.
Bindende Beschlüsse
Wenn Experten über die vermeintliche oder reale Rationierung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) diskutieren, kommt die Rede meist schnell auf den G-BA. Dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung in der GKV wird dann vorgeworfen, es sei ein Instrument von Krankenkassen und Politik zur rein ökonomisch begründeten Leistungseinschränkung zulasten der Patienten. Tatsächlich hat der G-BA die Kompetenz und die Pflicht, Leistungen zulasten der gesetzlichen Krankenkassen einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Trotz seiner folgenreichen Beschlüsse kennen nur sehr wenige der 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherten den G-BA. Die Frage, aus welchen Organisationen sich das mächtige Gremium zusammensetzt (geschweige denn, welche Personen im Beschlussplenum stimmberechtigt sind), wird kaum ein Krankenkassenmitglied beantworten können. Bei den Ärztinnen und Ärzten, für die die Beschlüsse des G-BA genauso bindend sind, dürfte es ähnlich sein.
Um die Entscheidungsabläufe im G-BA transparenter und auch effektiver zu gestalten, hat der Gesetzgeber das Gremium zum 1. Juli 2008 neu strukturiert (siehe Kasten). Punktgenau zum Umzug von Siegburg nach Berlin fragte das Deutsche Ärzteblatt einige Beteiligte, welche Folgen die Organisationsreform vor eineinhalb Jahren auf die Arbeit des für die GKV so wichtigen Beschlussgremiums hatte.
Keine Fensterreden
Dr. Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale-Bundesverband vertritt die Patienteninteressen im Gemeinsamen Bundesausschuss. Aus dieser Perspektive – ohne Stimmrecht – mag er vielleicht etwas unbefangener als andere die Entwicklung seit der Reform im Jahr 2008 beurteilen können. Die neue Öffentlichkeit des Beschlussgremiums bewertet er positiv. Seine ursprüngliche Befürchtung, dass man sich dort auf öffentlichkeitswirksame Fensterreden beschränkt, hat sich nicht erfüllt: „Es wird in der öffentlichen Sitzung tatsächlich kontrovers diskutiert, so wie es auch in den nichtöffentlichen Sitzungen der Fall war.“ Und stets seien Zuschauer zugegen, insbesondere Fachjournalisten oder Vertreter von Firmen. Allerdings gehe das öffentliche Interesse inzwischen doch ein wenig zurück. Der Grund: Mitunter würden zu spezielle Fachdebatten im Plenum ausgetragen, meint Etgeton: „Es gibt immer wieder Themen, bei denen offenbar die Blockade einer Seite im Unterausschuss so stark ist, dass man sagt: Das muss jetzt das Plenum entscheiden. Dann landen solche Fachdebatten, etwa zur technischen Umsetzung, im Plenum, wo sie eigentlich nicht hingehören und von wo aus sie wieder zurückgeschickt werden.“ Die meisten Sachverhalte würden allerdings bereits in den Unterausschüssen geklärt. Dort, wo keine Verständigung möglich sei, gelange in der Regel der ganze Vorgang als Beschlussvorlage, in der die kontroversen Meinungen ausgewiesen seien, ins Plenum. „Meistens versucht der unparteiische Vorsitzende noch in einem ersten Diskussionsgang, die abweichenden Meinungen einzubinden und eine Kompromisslösung herbeizuführen“, erklärt Etgeton.
Eine Alternative zum G-BA kann sich der engagierte Patientenvertreter nur schwer vorstellen: „Frei nach Churchill stellt die gemeinsame Selbstverwaltung die am wenigsten schlechte Form der Entscheidungsfindung dar. Wer soll das alles denn sonst regeln – der Gesundheitsausschuss des Bundestages, das Ministerium selbst oder eine von ihm eingesetzte Expertenkommission?“ Etgeton kritisiert allerdings, dass die Leistungserbringer zu oft nur die ökonomischen Interessen der Vertragsärzte und der Krankenhäuser im Sinn hätten: „Die medizinische Logik, die klinische Perspektive, die viele Ärzte ja auch interessiert, kommt meines Erachtens ein bisschen kurz.“ Als Sachwalter der ärztlichen Interessen käme für ihn die Bundesärztekammer (BÄK) in Betracht: „Aber die BÄK hat das Gremium auf eigenen Wunsch verlassen. Ich weiß nicht, ob dies eine kluge Entscheidung war.“
Der Vorstand der Bundesärztekammer bestätigte erst kürzlich die 2004 getroffene Entscheidung, dem Gemeinsamen Bundesausschuss nicht mehr angehören zu wollen, um so frei von ökonomischen Zwängen in Fragen der medizinischen Versorgung Stellung beziehen zu können. Doch gibt es inzwischen auch Zweifel an diesem Kurs der vornehmen Zurückhaltung. Der Marburger Bund etwa forderte auf seiner Hauptversammlung Ende 2009, die BÄK in Fragen der Qualitätssicherung im G-BA zu beteiligen und dies gesetzlich zu verankern; entsprechend votierte wenig später der BÄK-Ausschuss Qualitätssicherung.
Auch der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. med. Theodor Windhorst, kritisiert, dass ärztliche Interessen in der Struktur des G-BA zu wenig vertreten sind. Bis vor kurzem habe die BÄK ihre Expertise zumindest noch über die BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung) in die Beratungen des G-BA einbringen können. Das sei aber vorbei, seit der G-BA das konkurrierende Aqua-Institut damit beauftragt habe, ein Verfahren zur Messung und Darstellung einer sektorenübergreifenden Qualitätssicherung zu entwickeln. Windhorst: „Es kann doch nicht sein, dass die stärkste Organisation der Ärzte nur am Katzentisch sitzt oder zu Gutachten befragt wird. Wir machen uns viel Arbeit, haben aber kaum messbare Ergebnisse.“ Windhorst, Stellvertreter des GBA-Vorsitzenden, setzt sich dafür ein, dass die BÄK direkt beteiligt wird und auch entsprechend Verantwortung trägt. Die stellvertretende BÄK-Hauptgeschäftsführerin, Dr. med. Regina Klakow-Franck, sieht ebenfalls Handlungsbedarf: „Im Interesse seiner eigenen Akzeptanz und Zukunftsfähigkeit sollte der G-BA längst von allein auf die Idee gekommen sein, Voten der Beteiligten, darunter die Bundesärztekammer, mehr Gewicht zu verleihen.“
Das Patt auflösen
Dr. Rainer Hess, der unparteiische Vorsitzende des G-BA, ist wenig begeistert von solchen Vorstößen. Gerade erst hat er verhindert, dass die Ärztekammern in den Arbeitsgemeinschaften zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung auf Landesebene stimmberechtigt sind. Das sehe das Sozialgesetz nicht vor, lautete die Begründung. Mit der gleichen Argumentation wendet er sich jetzt gegen eine weitergehende Beteiligung der BÄK: „Wenn das Sozialversicherungsrecht der Bundesärztekammer keine Verantwortung zuweist, dann ist es schwierig, sie in ein Gremium einzubinden, bei dem sie mit Stimmrecht über die Verantwortung anderer entscheidet.“ Der Gesetzgeber müsse den Ärztekammern die Kompetenzen erst einmal übertragen – auch in Sachen Qualitätssicherung.
Dass sich die BÄK schon jetzt mit ihren Stellungnahmen konstruktiv in die Arbeit des G-BA einbringt, heben sowohl der KBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. med. Andreas Köhler, als auch der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Rudolf Kösters, hervor. Beide sind stimmberechtigte Mitglieder im G-BA. Auch sie beurteilen eine weitergehende Beteiligung der BÄK zurückhaltend. Diskussionsbedarf sieht KBV-Chef Köhler vor allem bei Themen, die eher das Weiterbildungs- und Berufsrecht betreffen – beides Kernaufgaben der Kammern. DKG-Präsident Kösters hält es für möglich, dass mit der Beteiligung der BÄK „eine gewisse Pattsituation aufgelöst werden könnte, die es heute manchmal auf Leistungserbringerseite gibt“. Er betont allerdings, dass sich die Bundesärztekammer dazu ausgewogen zwischen DKG und KBV platzieren müsse.
Dominanz der Krankenkassen
Überhaupt zeigen sich Kösters und Köhler nicht so zufrieden mit dem neuen sektorenübergreifenden Abstimmungsmodus im Plenum. Stimmberechtigt sind dort fünf Kassenvertreter und je zwei Vertreter von DKG und KBV sowie einer der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV). Hinzu kommen die drei Unparteiischen. Der DKG-Präsident spricht von der Dominanz der Krankenkassen, die fast immer geschlossen auftreten: „Für mich ist das ein Konstruktionsfehler in diesem Spruchkörper. Auf der einen Bank haben wir quasi ein Monopol sitzen, und auf der anderen Bank gibt es lebhafte Interessenunterschiede.“ Auch der KBV-Vorsitzende sieht bei Beratungsthemen, die zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern umstritten sind, strukturelle Vorteile der Kassen bei der Durchsetzung ihrer Positionen.
KBV und DKG sondieren vorab
Um dieser „Kassenlastigkeit“ der G-BA-Beschlüsse zu begegnen, stimmen sich KBV und DKG inzwischen besser ab. Man trifft sich routinemäßig vor den Sitzungen des G-BA-Plenums. Bei den Themen, die jeweils nur den stationären oder den ambulanten Bereich betreffen, folgt man den Empfehlungen der jeweils betroffenen Seite. Mühsam ist die Verständigung bei umstrittenen Themen. „Das funktioniert noch immer nicht so, wie sich das die beiden Seiten vorstellen“, beklagt Kösters: „In bestimmten Fragen ist es einfach nicht möglich, die Interessen von KBV und DKG in Einklang zu bringen – sei es bei der Öffnung der Krankenhäuser nach §116 b SGB V oder auch bei den Medizinischen Versorgungszentren, die ja laut Koalitionsvertrag mehrheitlich in ärztlicher Hand sein sollen.“ Auch der Zuschlag für das Aqua-Institut bei der sektorenübergreifenden Qualitätssicherung sei gegen das Votum der DKG erfolgt. Wohl auch wegen dieser Abstimmungsniederlagen plädiert der Präsident der Krankenhausgesellschaft dafür, den Abstimmungsmodus im G-BA bei wichtigen versorgungsrelevanten Themen zu modifizieren: „Bei besonders wichtigen Fragen könnte man zum Beispiel eine Zweidrittelmehrheit verlangen, so dass alle Beteiligten viel stärker darauf angewiesen wären, sich zusammenzuraufen.“
Der unparteiische G-BA-Vorsitzende Hess nimmt zwar auch die mitunter recht harten Kontroversen auf Seite der Leistungserbringer wahr. Doch in einer Einrichtung der Selbstverwaltung, die explizit darauf angelegt sei, die Unterscheidung zwischen ambulant und stationär immer mehr in den Hintergrund treten zu lassen, müsse man damit umzugehen lernen, meint er: „Konflikte müssen nun über die unparteiischen Mitglieder gelöst werden. Das ist bisher – mit Ausnahme des Regelungstatbestands ,Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Behandlung‘ – auch sehr gut gelungen“, betont Hess.
Stylisch: das Foyer
des neuen Dienstsitzes
in Berlin.
Anfang des Jahres
ist auch der G-BA
räumlich in der
Hauptstadt angekommen. Fotos: Georg J. Lopata
Mancherorts gibt es allerdings auch Zweifel an der Legitimation des G-BA. So würden ihm Aufgaben zugewiesen, für die er originär nicht zuständig sei, meint die stellvertretende BÄK-Hauptgeschäftsführerin. Dies gelte etwa für den gesetzlichen Auftrag, Modellvorhaben zur Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Ärzten und nichtärztlichen Gesundheitsberufen (§ 63 c SGB V) zu regeln. Hier fehle der sichere Rechtsrahmen, meint Klakow-Franck: „Die Definitionshoheit für die Qualifikation der ärztlichen Profession liegt aber auf Landesebene bei den Ärztekammern und für die Fachberufe im Gesundheitswesen, etwa die Pflege, beim Bundesgesundheitsministerium.“
Angesichts des wachsenden Aufgabenspektrums des G-BA wünscht sich DKG-Präsident Kösters eine offene Diskussion über dessen demokratische Legitimation. „Das ist umso mehr notwendig, als das Bundessozialgericht im letzten Jahr entschieden hat, dass das Bundesgesundheitsministerium über den G-BA nur eine Rechtsaufsicht hat, also nur das rechtmäßige Zustandekommen von G-BA-Beschlüssen prüfen kann, inhaltlich aber nicht mehr intervenieren kann“, erklärt Kösters. Wie genau diese breitere Legitimation aussehen sollte, lässt er jedoch offen. Der KBV-Vorsitzende Köhler sieht bei der Legitimation hingegen keine Defizite: „Der G-BA ist ein Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung. Die Legitimation kommt aus der Trägerschaft.“ Eine Bestätigung der G-BA-Mitglieder durch den Bundestag lehnt Köhler entschieden ab: „Dann würde aus dem G-BA eine Staatsbehörde, und dann müsste man es auch so nennen.“
Der Jurist und unparteiische Vorsitzende Hess hält den G-BA für einwandfrei legitimiert: „Unsere Verbindlichkeit ist begründet durch die Bottom-up-Struktur. Wenn ich bottom-up gebildet werde, kann ich top-down Regelungen treffen.“ An der Regelungskompetenz gegenüber Ärzten und Krankenkassen sei also nicht zu deuteln. Dagegen brauche der G-BA dort, wo er Versichertenansprüche einschränke, eine höhere Legitimation. Diese gebe es aber auch: „Wenn der Bundesausschuss das Leistungsrecht einschränkt, dann tut er das nicht aufgrund der generellen Richtlinienkompetenz, sondern es gibt einen ausdrücklichen gesetzlichen Auftrag. Von daher ist es für mich gar keine Frage, ob der Bundesausschuss dazu legitimiert ist.“
Zum Problem werden könnte die Tatsache, dass die Regelungskompetenz des G-BA in den vergangenen Jahren immer mehr gewachsen ist. Denn in dem Maß, in dem die Aufgaben zunehmen, wächst der Verwaltungsapparat – und den Trägerorganisationen fällt es zunehmend schwerer, mit dem Arbeitstempo der Einrichtung Schritt zu halten: „Wir schaffen es kaum noch, die ganzen Gremien zu besetzen, dort konstruktiv mitzuarbeiten und alle Unterlagen zu sichten“, gibt der KBV-Vorsitzende Köhler offen zu. Die Arbeitsweise, die sich im G-BA entwickelt habe, müsse deshalb nochmals auf den Prüfstand gestellt werden. Das sieht der unparteiische Vorsitzende Hess ebenfalls anders: „Die Fülle der Aufgaben hat ja nichts mit der Struktur als solcher zu tun.“
Unbestritten hat die Politik dem Gemeinsamen Bundesausschuss in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben zugeordnet. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass sie nach wie vor auf die gemeinsame Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversicherung setzt. Aus Sicht der Ärztinnen und Ärzte sollte sich daran tunlichst nichts ändern. Denn auf diese Weise bestimmen die Ärztinnen und Ärzte immer auch die Richtung mit. Dabei bleibt das Bundesgesundheitsministerium – höchstrichterlich entschieden – außen vor. In einem alternativen Gremium sähe dies sicher anders aus. Deshalb ist es letztlich auch im Interesse der Trägerorganisationen, dass der G-BA funktioniert. Das Fazit des unparteiischen Vorsitzenden Hess stimmt vor diesem Hintergrund allerdings nachdenklich: „Manchmal wird der Gedanke der Selbstverwaltung von den Trägerorganisationen nicht mehr so gelebt, wie ich mir das wünsche.“
Jens Flintrop, Thomas Gerst
mehr Transparenz
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde der Gemeinsame Bundesausschuss im Sommer 2008 völlig umgestaltet. Transparenter und auch effektiver sollten die Entscheidungsprozesse durch die Strukturreform werden, erhoffte sich die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD).
Anstelle der bis dato existierenden sechs sektorspezifischen Beschlussgremien (in denen die betroffenen Organisationen, also die Krankenkassen und der jeweilige Leistungserbringer, paritätisch vertreten waren), gibt es seitdem nur noch ein sektorenübergreifendes Beschlussorgan. Dieses Plenum besteht aus 13 stimmberechtigten Mitgliedern – und tagt öffentlich. Auf der „Leistungserbringerbank“ sitzen je zwei Vertreter der Deutschen Krankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung sowie ein Vertreter der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Auf der „Kassenbank“ sitzen fünf Vertreter, die vom GKV-Spitzenverband Bund benannt werden. Hinzu kommen der unparteiische Vorsitzende und zwei weitere unparteiische Mitglieder.
Alle Entscheidungen werden in dieser Besetzung getroffen. So entscheiden beispielsweise Vertragsärzte über Mindestmengen im Krankenhaus, oder Krankenhausvertreter stimmen über zahnärztliche Leistungen ab. Auch Patientenvertreter nehmen inzwischen mit Rede- und Antragsrecht an den Sitzungen des Bundesausschusses teil. Ein Stimmrecht haben sie jedoch (noch) nicht.
Die drei Unparteiischen üben ihre Tätigkeit hauptamtlich aus. Sie übernehmen auch den Vorsitz in den acht Unterausschüssen des Bundesausschusses (siehe Grafik), die jeweils sektorenübergreifend arbeiten und paritätisch von Krankenkassen und Leistungserbringern besetzt werden. In den Unterausschüssen werden die Beschlüsse des Gremiums vorbereitet, bevor dann das Plenum entscheidet.
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Platzek, Reinhard
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