ArchivDeutsches Ärzteblatt25/1997Krankenhäuser/Gesundheitsstrukturreform: Auch für Kliniken gilt Kostendisziplin

POLITIK: Leitartikel

Krankenhäuser/Gesundheitsstrukturreform: Auch für Kliniken gilt Kostendisziplin

Clade, Harald

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LNSLNS Für die rund 2 300 Krankenhäuser gilt unvermindert die politisch verordnete Ausgaben- und Kostendisziplin. Auch die Krankenhäuser müssen sich wie alle anderen Leistungsbereiche an die begrenzten Einnahmemöglichkeiten der Krankenkassen halten. Zwar ist die auf vier Jahre festgeschriebene Budgetierung im Krankenhaussektor beendet worden, dennoch gilt uneingeschränkt der politische Grundsatz der Beitragsstabilität - dies um so mehr, als die Kliniken im ersten Quartal 1997 mit 3,8 Prozent mehr als drei Prozentpunkte über der Grundlohnsummenentwicklung zugelegt haben. Tiefgreifendere strukturelle Neuerungen und verstärkte Verzahnungselemente waren im stationären Sektor nicht zu implementieren, weil wegen der Blockadepolitik der Opposition und des SPD-dominierten Bundesrates (vorläufig) politisch nicht mehr drin war. Dagegen wurde den Rehabilitations-Kliniken mit dem Wachstums-und Beschäftigungsförderungsgesetz und mit dem Beitragsentlastungsgesetz eine Roßkur verordnet.


Nach Verabschiedung der fünfgliedrigen Stafette der Gesundheitsstruktur- und Kostendämpfungsgesetze (Krankenhaus-Stabilitätsgesetz, Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz; Beitragsentlastungsgesetz; 1. und 2. GKV-Neuordnungsgesetz) beklagen die Krankenkassen, daß der Gesetzgeber ihnen keine wirksamen Instrumente zugeschanzt habe, um über die Bedarfsplanung und vertragliche Abmachungen über die Strukturierung, die Dimensionierung und das Angebot an stationären Krankenhausleistungen direkt Einfluß auf das Ausgabengebaren dieses Sektors zu nehmen. Wie kein anderer Bereich könne das Krankenhaus weiter auf den Schutzschild und die Aufsicht der Länder bauen - wiewohl diese doch ein Interesse daran haben müßten, die Ausgaben im stationären Sektor in Schach und Proportion zu halten und die Investitionskostenförderung auf ein vertretbares Maß zurückzufahren. Nur marginal sind die Änderungen zu einer Verstärkung der ambulanten Versorgung durch geeignete Rahmenbedingungen ausgefallen. Die versprochene Trendwende in der Gesundheitspolitik ist ebensowenig spürbar geworden, wie Absichten zu erkennen sind, an der Nahtstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung mehr Strukturstabilisatoren und kostenentlastende Effekte einzubauen. In dieser politischen Gemengelage war es für die Krankenhausträger leicht, beim 20. Deutschen Krankenhaustag in Hannover Anfang Juni ihre Dauerforderung zu erneuern, das Krankenhaus als sowohl ambulant als auch stationär fachärztliche Leistungen anbietendes Gesundheitszentrum zu propagieren. Dadurch könnten viele Doppeluntersuchungen und Mehrfachbehandlungen vermieden und zumindest in der hochspezialisierten Medizin die Verzahnung und engere Kooperation vorangetrieben werden.


Vorstoß der DKG
Bereitwillig will die Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) denn auch die Öffnungsklauseln in dem 2. Weiterentwicklungsgesetz aufgreifen und bei der Realisierung von Modellvorhaben mitwirken, um neue Versorgungs- und Vergütungsstrukturen zu erproben. Beim Deutschen Krankenhaustag kündigte die DKG an, ein praktikables Konzept für die Realisierung neuer Gestaltungs- und Angebotsformen, etwa in der Tages- und Kurzzeitchirurgie, aber auch auf dem Feld neuer leistungsbezogener Vergütungssysteme, etwa über Fallpauschalen und Sonderentgelte, zu entwickeln.
Dessenungeachtet hat Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verdeutlicht, daß es mit ihm keine weitere institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für ambulatorische Leistungen geben werde. Der hochspezialisierte und ausgabenträchtigste Sektor könne nicht noch weiter in den Mittelpunkt des gegliederten Versorgungssystems gerückt werden, versicherte Seehofer Ende Mai beim 100. Deutschen Ärztetag in Eisenach. Davon rückte er auch vor dem Krankenhaustag keinen Deut ab. Auch die Krankenhausgesellschaft will bisher schon begangene Brücken zwischen ambulanter und stationärer Versorgung verstärken, um fließende Übergänge zu schaffen. Da neue gesetzliche Regelungen vorerst wegen des politischen Patts nicht realisiert werden könnten, baut die DKG auf eine Selbstverwaltungsregelung und fordert, bestehende gesetzliche Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen. Zudem versichert die DKG, das Selbstbindungskonzept ihren Mitgliedern zur Beherzigung zu empfehlen.
Konkret nennt die DKG dabei zwei Möglichkeiten:
- Ausbau des kooperativen Belegarztsystems und eine intensivere Kooperation zwischen Vertragsärzten und dem Krankenhaus;
- gemeinsame Nutzung von Großgeräten und der hochspezialisierten klinischen Apparatur im Krankenhaus durch niedergelassene Ärzte (durch Abschluß entsprechender Nutzungsverträge). Dies wird auch von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung befürtwortet - allerdings mit einer Kooperation in beiden Richtungen unter gleichen Bedingungen.
Den Behauptungen, der Kliniksektor sei in den letzten Jahren stranguliert worden, hielt Seehofer in Hannover entgegen, daß die Ausgaben der Krankenkassen im stationären Bereich von 1993 bis 1996 im Westen um 15 und im Osten sogar um 42 Prozent gestiegen seien. Diese Daten lägen deutlich über der Ausgabenentwicklung in anderen Sektoren und der GKV insgesamt. Die Ausgaben für die stationäre Versorgung beanspruchen inzwischen rund 35 Prozent des gesamten Ausgabenblocks in der Gesetzlichen Krankenversicherung, mehr als 102 Milliarden DM in 1996 (bei einem Ausgabenvolumen der Gesetzlichen Krankenversicherung von rund 260 Milliarden DM).
Daß von dem hochtechnisierten, personalintensiven Leistungszentrum Krankenhaus Gefahren auf die Ausgabenstabilität und die Struktur im Gesundheitswesen ausgehen können, ist auch den Politikern bekannt. Die Arbeitsverdichtung in den Krankenhäusern ist trotz verbesserten Personalschlüssels vor allem im Pflegebereich spürbar gewachsen. Die Anstrengungen zur Ausschöpfung noch mobilisierbarer Wirtschaftlichkeitsreserven wurden verstärkt. Die durchschnittliche Verweildauer wurde auf 12 Tage verkürzt, liegt aber im internationalen Vergleich ebenso wie die "Bettendichte" noch relativ hoch. Flexible Personaleinsatzkonzepte wurden eingeführt, die Computerisierung hat Vorrang, und der Wirtschaftlichkeit wird zunehmend Priorität eingeräumt - alles Tatbestände, auf die die Kliniken mit Stolz hinweisen und die die Politik inzwischen auch anerkennt. Seehofer konstatierte denn auch: "Betrachtet man das Niveau und die Qualität der Versorgung isoliert, gibt es keinen Reformbedarf." Allerdings zwinge die anhaltende Finanznot zu weiteren Selbstbeschränkungsmaßnahmen, solidarischen Anstrengungen und zu weiteren Reformen vor allem auf Selbstverwaltungsebene. Moderne Medizin sei weder mit einem Null-Wachstum bei den Leistungsausgaben noch mit einem sturen Sparen zu machen. Dies sei kein "Königsweg", so Seehofer.


Schmerzgrenze
Für die DKG ist das mit dem "Beitragsentlastungsgesetz" den Krankenhäusern in den Jahren 1997 bis 1999 abgeforderte pauschale Sparopfer von insgesamt 2,4 Milliarden DM die Höchstgrenze des Zumutbaren. Die Krankenhäuser verteidigen ihre Spitzenstellung; sie müßten auch künftig die gestiegenen Leistungsanforderungen weiter erfüllen können. Es müsse beachtet werden, daß etwa zwei Drittel der gesamten Krankenhauskosten auf die Personalkosten entfallen. Die Krankenhausträger pochen darauf, daß die Budgets künftig gemeinsam mit den Krankenkassen vereinbart werden. Jedes Krankenhaus müsse genau prüfen, ob die gesetzlichen Ausnahmetatbestände zutreffen (und Ansprüche realisieren):
- Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen;
- zusätzliche Kapazitäten für medizinische Leistungen auf Grund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes;
- Finanzierung von Rationalisierungsmaßnahmen (§ 18 b KHG).
Die DKG begrüßt, daß der Instandhaltungsbedarf künftig auf Dauer pflegesatzfähig ist. Die Art und Höhe der Finanzierung wurde vorerst auf drei Jahre befristet, um Erfahrungen zu sammeln. Die Finanzierung ist lohnnebenkostenneutral, weil das Klinik-"Notopfer" von 20 DM je Versicherten und Jahr zusätzlich zum Versicherungsbeitrag aufzubringen ist (ohne Arbeitgeberbeteiligung). Die Krankenhausbenutzer zahlen einen pauschalen Zuschlag von 1,1 Prozent auf den Pflegesatz, um aufwendige Regelungen zu vermeiden. Weitere Lichtblicke aus der Sicht der DKG: bessere Abrechnungsmöglichkeiten für zusätzliche Transplantationsleistungen und Wegfall der Großgeräteplanung. Klargestellt wurde, daß Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst, bezogen auf das Jahr 1996, als lineare Steigerungsrate anerkannt werden müssen. Darüber hinaus soll das Erlösabzugsverfahren um zwei Jahre verlängert werden. Begrüßt wird auch die Vorschrift, die Sonderentgelte und Fallpauschalen auf Selbstverwaltungsebene zügig weiterzuentwickeln. Die FDP befürwortet die Anwendung dieses Entgeltsystems auch im Bereich der Reha-Kliniken.
Eine Stufenregelung wird jetzt von der Politik angestrebt. Das angepeilte Sparvolumen im Reha-Bereich von 3,2 Milliarden DM tendiere eher auf fünf Milliarden DM. Die Folge: 150 Reha-Kliniken haben bereits dichtgemacht. Die Rentenversicherungsträger haben angekündigt, 390 000 Reha-Maßnahmen im Jahr 1997 nicht mehr zu bewilligen. 50 Prozent aller Einrichtungen klagen über Minderbelegungen, haben Kurzarbeit angemeldet und rechnen mit weiteren Entlassungen. Beim BDPK-Bundeskongreß (der Privatkrankenanstalten) in Bonn zeigte sich der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Lohmann, betroffen: "Dies ist vom Gesetzgeber in dieser Höhe nicht gewollt." Am 28. April haben Baden-Württemberg und Bayern eine Initiative im Bundesrat zur Änderung des SGB VI gestartet. Danach sollen sich die Ausgaben für Reha-Leistungen im Bereich der Rentenversicherung auf das Jahr 1994 beziehen (nicht auf das Basisjahr 1993) und ohne Absenkung budgetiert werden. Mehrkosten für die Rentenversicherungsträger: 1,47 Milliarden DM. Bundeswirtschaftsminister Dr. Günter Rexrodt soll kurzfristig ein Strategie- und Marketingkonzept für die darbenden Kur- und Rehakliniken entwerfen (Kosten: 500 000 DM). . . Dr. Harald Clade

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