KULTUR
Kanzlerbungalow: „Erstklassig“ und „scheußlich“


Helle und stufenlose
Räume, mit
Designermöbeln
ausgestattet, und
vor allem ein überzeugendes
Zusammenspiel
von Innen
und Außen kennzeichnen
den Kanzlerbungalow. Fotos: dpa
Von allen Seiten hagelte es Kritik. Adenauer stichelte, der Architekt gehöre für zehn Jahre ins Gefängnis. Bundeskanzler Kiesinger ließ 1967 die Inneneinrichtung dieses „scheußlichen Gebäudes“ austauschen. Nur Architekt Walter Gropius lobte den Bungalow als „erstklassiges Stück deutscher Architektur“. Erhards Absicht, den 2,3 Millionen D-Mark teuren Neubau zum Symbol für eine Politik der Transparenz zu machen, erschloss sich den meisten Zeitzeugen mitnichten. Der Versuchung einer Stein gewordenen Demonstration der Macht hat der Vater des Wirtschaftswunders erfolgreich widerstanden.
Der seit 1999 leerstehenden und unvermietbaren Immobilie hat sich 2005 die Wüstenrot-Stiftung angenommen, um das Gebäude zu revitalisieren und es zu einem öffentlichen Ort der Zeitgeschichte zu machen. Dafür wurden 2,2 Millionen Euro aufgewendet. Inhaltlich und organisatorisch geleitet wird der Bungalow, den man im Rahmen von Führungen besuchen kann, der aber auch als Ort der Kommunikation etabliert werden soll, vom Haus der Geschichte in Bonn. Eigentümer bleibt das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Nun lässt sich das Wohnhaus der Bundeskanzler im Park des Palais Schaumburg als eine Architektur des Understatements erleben. Jedes Pathos ist diesem zweiteiligen Bau fremd. Er beschränkt sich auf seine wesentlichen Funktionen. Das war international ohne Vorbild und wurde als Zeichen der Bescheidenheit verstanden. Nach der Instandsetzung spiegelt die Inneneinrichtung der Eingangsräume und von Arbeits- und Musikzimmer den Zustand von 1964 wider. Das Speisezimmer repräsentiert dagegen die Umbauten aus der Kohl-Ära. Auffallend ist vor allem der dräuend über dem Raum hängende Lichtteppich. Dass nicht alle Kanzler hier gewohnt haben, mag auch daran gelegen haben. Brandt schlief lieber auf dem Venusberg, sorgte aber dafür, dass der Originalzustand des Hauses wiederhergestellt wurde. Auch Helmut Schmidt kritisierte die Enge im Wohnbereich und ließ sich in der Besenkammer eine Frühstücksküche einrichten, während sich Nachfolger Kohl in den nach seinem Gusto veränderten Räumen rundum wohlfühlte. Alle Kanzler mussten übrigens für die privat bewohnten 142 Quadratmeter Miete zahlen.
Eine kleine Ausstellung in den Eingangsräumen des Kanzlerbungalows informiert über diese Entwicklung.
Ulrich Traub
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