ArchivDeutsches Ärzteblatt8/2010Kulturprojekt für Kinder und Jugendliche: Theater auf Rezept

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Kulturprojekt für Kinder und Jugendliche: Theater auf Rezept

Köhler, Myrta

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Jedes Kind, das in Düsseldorf und Umgebung zur Vorsorgeuntersuchung geht, erhält einen Gutschein für das Junge Schauspielhaus.

Theater auf Rezept“ soll jungen Menschen aus allen Schichten den Zugang zur Kultur ermöglichen: Jedes Kind, das zur Vorsorgeuntersuchung U10, U11 oder J1 geht, erhält vom Arzt einen Gutschein für einen Theaterbesuch mit einer Begleitperson im Jungen Schauspielhaus Düsseldorf. „Theater verdichtet die Wirklichkeit bis zur Erkennbarkeit“, sagt Stefan Fischer-Fels, Künstlerischer Leiter des Jungen Schauspielhauses. „Die Kinder erkennen, welche Emotionen hinter einem Konflikt stecken. Das ist enorm wichtig für die psychische Gesundheit.“

Es freut ihn, dass gleich mehrere Ärzte seine Meinung bestätigen. „Laut Arthur Miller ist das Theater Herz und Verstand einer Gesellschaft“, stellt beispielsweise Dr. med. Hans Michael Strahl, HNO-Arzt in Düsseldorf, fest. Ähnlich sieht das auch Dr. med. Hermann Kahl, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein. Für ihn liegt das aktuelle Hauptproblem in einer zunehmenden Bildungs- und Bindungslosigkeit: „Die Jugendlichen driften ab in Bereiche, die wenig mit Kultur zu tun haben – dem wollen wir vorbeugen.“

Peter Maffay, Schirmherr des Projekts, engagiert sich in vielerlei Hinsicht für die Belange von Kindern. Foto: ddp
Peter Maffay, Schirmherr des Projekts, engagiert sich in vielerlei Hinsicht für die Belange von Kindern. Foto: ddp
Es sollte aber nicht bei einem Theaterbesuch bleiben. Stefan Fischer-Fels wünscht sich nicht weniger als eine „lebenslange freiwillige Abhängigkeit“, und auch Kahl betont die Bedeutung einer gewissen Regelmäßigkeit: „Gesundheit ist mehr als Schmerzfreiheit.“ Kulturelle Bildung gehört dazu – so wird das Rezept zum Gutschein, die Medizin besorgt man sich nicht in der Apotheke, sondern im Theater.

180 professionelle Kinder- und Jugendtheater gibt es in Deutschland. Einige von ihnen, darunter auch das Grips-Theater in Berlin, haben bereits ihr Interesse an dem Projekt bekundet. Die Initiatoren hoffen, dass sich die Aktion langfristig auf ganz Deutschland erstrecken wird. Auf medizinischer Seite beteiligen sich vorerst alle praktischen Ärzte aus Düsseldorf daran sowie einige aus den umliegenden Orten.

Strahl schätzt, dass im ersten Jahr etwa 15 000 Theaterbesuche verschrieben werden – das erfordert finanzielle und organisatorische Unterstützung. Schirmherr von „Theater auf Rezept“ ist Peter Maffay, der sich in vielerlei Hinsicht für die Belange von Kindern engagiert. Theater und Musik sind auch in seinen Augen Mittel zur Persönlichkeitsbildung: „Kunst erzeugt Begegnung, Begegnung erzeugt Impulse, Impulse erzeugen Visionen. Visionen erzeugen Aktivität – und mit Aktivität kann man Zeit und Zukunft gestalten.“

So wirkt ein Theaterbesuch nachhaltig: Vor dem Hintergrund exemplarischer Geschichten können die Zuschauer das eigene Verhalten reflektieren, andere Sichtweisen kennenlernen – und die eigene Persönlichkeit entwickeln.
Myrta Köhler

@Weitere Informationen im Internet: www.hno-centrum-duesseldorf.de/Praxis/Team/strahl.html; www.petermaffaystiftung.de/; www.duesseldorfer-schauspielhaus.de/; www.designforbusiness.de/
Zahlreiche Theater bekundeten die Bereitschaft, dem Vorbild des Jungen Schauspielhauses Düsseldorf nachzueifern. Foto: Caro
Zahlreiche Theater bekundeten die Bereitschaft, dem Vorbild des Jungen Schauspielhauses Düsseldorf nachzueifern. Foto: Caro

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