BRIEFE
Babyklappen: Sicheres Überleben


1. Die Behauptung von Priv.-Doz. Dr. med. Christiane Woopen, es sei unwahrscheinlich, dass Mütter und Väter, die ihre Kinder töten wollten, von dem Angebot überhaupt erreicht werden, stützt sich auf eine überschaubare Anzahl von Fällen. In anderen evidenzbasierten wissenschaftlichen Bereichen wäre eine so weitgehende Aussage aufgrund dieser Datenlage nicht unkritisch.
2. Das Alternativangebot, „die vertrauliche Kindsabgabe mit vorübergehender anonymer Meldung“, geht an der sozialen Realität vorbei. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass Mütter, die die anonyme Geburt bevorzugen, keinesfalls ihre Identität preisgeben würden. Diese Frauen würden ohne medizinische Hilfe in wenig geeigneter Umgebung gebären mit allen denkbar möglichen Komplikationen für Mutter und Kind.
Es befinden sich hierunter Frauen, die in Deutschland nicht gemeldet sind (z. B. Prostituierte aus den östlichen Ländern), die keinesfalls eine Beziehung zu deutschen Beratungsstellen oder Behörden aufnehmen würden.
3. Das Ethikvotum suggeriert, dass das Angebot von Babyfenstern erst zur Kindsablage animiert. Dies lässt sich aus der langen Geschichte der Babyfenster leicht widerlegen. Zum einen gab es bereits im Mittelalter an Klöstern und anderen sozialen Einrichtungen Babyfenster, um die Ablage von Kindern an ungeeigneten Orten zu vermeiden, die „Nachfrage“ bestand also immer. Zum anderen finden sich auch heute noch Kinder vor Klinikeingängen oder anderen sozialen Institutionen, die den Umwelteinflüssen schutzlos ausgesetzt sind. Hier bietet das Babyfenster ein sicheres Überleben.
4. Selbstverständlich ist das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft ein ernst zu nehmendes Recht. Um dieses Recht wahrnehmen zu können, muss allerdings zunächst einmal das Lebensrecht realisiert werden. Ganz pragmatisch bin ich der Meinung, dass es besser ist, für ein Kind, das von seiner eigenen Mutter nicht aufgezogen werden kann, bei Pflege-/ später Adoptiveltern aufzuwachsen, die sich auf dieses Kind freuen und ihm sämtliche mögliche Förderung angedeihen lassen, als in irgendeinem Hinterzimmer geboren zu werden und einer, vorsichtig formuliert, unsicheren Zukunft entgegenzugehen . . .
Dr. med. Michael Glaßmeyer, Chefarzt der Frauenklinik, St. Rochus-Hospital, 44575 Castrop-Rauxel
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