KULTUR
Olivenanbau an der Riviera Ligure: Kunst, Leidenschaft und Knochenarbeit


Weich, fruchtigsamten:
Der geringe
Anteil an Bitterstoffen
prägt den besonderen
Geschmack des
„Olio Extra Vergine
di Oliva della Riviera
Ligura“. Foto: laif
Taggiasca, Pignola, Rossese, Lavagnina – zu einem der wesentlichen qualitativen Vorzüge des „Olio Extra Vergine di Oliva della Riviera Ligure“ zählt der Reichtum an autochthonen Olivensorten. Sie haben sich im Laufe der Jahrhunderte perfekt an die Geografie, an die Bodenbeschaffenheit und an das ligurische Klima angepasst. Das für den Breitengrad relativ milde Klima des ligurischen Gebirgsbogens, vom Mittelmeer geprägt und vom Apennin gegen Norden geschützt, die jahreszeitlich späte Erntezeit von Oktober bis März sowie die radikale Hangexposition nach Süden sind weitere Determinanten dieser einzigartigen Olivenwelt abseits von Monokultur und industrialisiertem Ölbaumanbau. Einzigartig ist sicherlich auch die Dichte der Ölbäume pro Quadratmeter sowie die respektable Baumhöhe.
Dunkelviolett
oder hellgrün: Die
prallen Früchte
werden relativ spät,
zwischen Oktober
und März, geerntet. Foto: Mauritius
Es waren die Benediktinermönche um 1 000 nach Christus, die durch eine sorgfältige Auswahl die Qualität der Olivensorten verbesserten sowie die Technik des Terrassenbaus in Ligurien einführten. So kam der Ölbaum, endemisch im Nahen Osten, durch die Mönche und Kreuzzügler erst im frühen Mittelalter ins Land. An den steilen Berghängen wurden die typischen Trockenmauern (miaxe) errichtet und die charakteristischen Terrassen (fasce) angelegt, um einem Gebiet etwas Ackerland abzutrotzen, dass sonst nur die Fernsicht und die Beharrlichkeit der Liguren kannte. In der Blütezeit Genuas, in der Zeit der Seerepublik, kamen der Kaufmannsgeist und damit auch die Olivenölnachfrage auf volle Touren, was den Olivenanbau anfeuerte. Man brauchte das Öl zur Konservierung von Lebensmitteln, und auch die Seefahrer und Kreuzritter schätzten das Öl auf ihren langen Reisen und Fahrten.
Steile Lage:
Auf schmalen Terrassen
sind
Netze gespannt,
die die reifen Oliven
auffangen. Foto: Angelo Razeto
Die reifen Oliven werden zusätzlich mit Stangen von den Ästen geklopft und von gespannten, orange- oder grünfarbenen Netzen aufgefangen. Ganz Eifrige sammeln auch diejenigen Früchte auf, die auf die Erde fallen. Nicht umsonst werden die Liguren als die „Schotten Italiens“ bezeichnet, sind für ihre Sparsamkeit berühmt. Aus den Netzen gefischt, kommen die Oliven auf eine Art Rutsche mit Sieb, wo der erste Leseprozess stattfindet. Die prallen, reifen Früchte, die je nach Sorte dunkelviolett oder hellgrün schillern, werden von den faulen Oliven und den Blättern getrennt und in Jutesäcke gefüllt. Um einen Gärungsprozess in den Säcken zu vermeiden, heißt es, die Oliven schnell die steilen Treppen (crose) und ehemaligen Maultierpfade (mulattiere) hinunter zur Straße und zur Mühle zu schaffen.
Unsere Mühle wird von der Familie Novella betrieben und liegt zwischen Sori und Recco, in dem Ort Mulinetti. In der Mühle drehen sich modernste Maschinen der Marke „Alfa Laval“ aus Monza. Reges Treiben herrscht hier unter den überwiegend älteren Männern, die ihre Oliven anliefern. Ein ohrenbetäubender Maschinenlärm und ein beißender Geschmack in der Luft würzen die Atmosphäre zwischen Wartenden und Erwartungen.
Wir haben heute 134 Kilogramm Oliven angeliefert. Eine gute Stunde wird die ganze Prozedur dauern, geht es doch nach dem Wiegen erst einmal in die Waschanlage und anschließend in das Mahlwerk. Hier werden die Früchte bei 34 Grad Celsius unter Zumischung von warmem Wasser mit Kern und Schale zu einer Paste (sansa) zermahlen, um dann in die Zentrifuge, in das eigentliche Herzstück, zu gelangen. Die trockenen Reste der Paste werden abgepumpt, und die kostbare Flüssigkeit wandert abschließend in die Trennmaschine (separatore), die das Wasser vom Öl trennt.
Dann ist er endlich gekommen, der große Augenblick, auf den alle Ölbauern warten, an den so viele Hoffnungen und Erwartungen geknüpft sind – das Öl erreicht die Abfüllstation. Gelbgrün ergießt es sich in unseren mitgebrachten Behälter aus Edelstahl. 29 Liter haben wir heute geschafft. Ein gutes Resultat, ergaben doch 4,8 Kilogramm Oliven einen Liter Öl. Es gibt schlechtere Jahre, in denen die Oliven schwerer, aber wasserhaltiger sind und der Ertrag dadurch deutlich geringer ausfällt. 18 Euro bezahlen wir für die heutige Arbeit in der Mühle. „Ciao, ciao, bis zum nächsten Mal“, rufen wir Martino, dem rüstigen Frantoiochef, zu. Ein bis zweimal die Woche – je nach Erntejahr – ist Termin. Die Mühle selbst kennt in der Saison keinen Ruhetag, und in guten Jahren wird hier sogar rund um die Uhr Öl produziert. Bis März/April geht das so. Dann kehrt wieder Ruhe in Mulinetti ein, und die Bauern pflegen ihren Ölbaumhain, schneiden die Pflanzen zurück und achten auf Parasitenbefall, wie zum Beispiel Pilze. Vor allem aber die gefürchtete Olivenfliege (Dacus oleae), die sich im Fruchtfleisch der Oliven einnistet und dieses auffrisst, wird rein biologisch mit natürlichen Fallen bekämpft. Bis es dann Ende September wieder heißt, die Netze zu spannen.
Egal, ob Großhandel, Selbstvermarktung oder Eigenbedarf, egal, ob 100 oder 1 000 Liter Ertrag, das „Olio Extra Vergine di Oliva della Riviera Ligure“ zählt eben zu den besten Olivenölen der Welt. Dagmar Nedbal
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