ArchivDeutsches Ärzteblatt10/2010Verminderte Wirkung von Tamoxifen durch Antidepressivum

AKTUELL: Akut

Verminderte Wirkung von Tamoxifen durch Antidepressivum

Meyer, Rüdiger

Als E-Mail versenden...
Auf facebook teilen...
Twittern...
Drucken...
LNSLNS Der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) Paroxetin kann die Wirkung von Tamoxifen in der Hormonbehandlung eines Mammakarzinoms herabsetzen. Die gleichzeitige Verordnung beider Medikamente hat in einer Kohortenstudie im „Britisch Medical Journal“ (BMJ 2010; 340: c693) die Brustkrebssterblichkeit erhöht. Ursache der Wechselwirkung ist die Metabolisierung beider Wirkstoffe am P-450-System der Leber.

Die „Prodrug“ Tamoxifen wird an dem Enzym CYP2D6 in seine aktiven Metaboliten 4-hydroxy-Tamoxifen und 4-hydroxy-N-Desmethyltamoxifen (Endoxifen) umgewandelt. SSRI dagegen inhibieren CYP2D6 in unterschiedlicher Ausprägung. Ein besonders starker Inhibitor ist Paroxetin. Seine Wirkung auf CYP2D6 ist irreversibel. Die Entgiftung (beziehungsweise Aktivierung von Tamoxifen) setzt erst wieder ein, wenn die Zelle neue CYP2D6- Enyzme synthetisiert hat.

Catherine Kelly vom Institute for Clinical Evaluative Sciences (ICES) in Toronto, Kanada, hat die Daten von 2 430 Frauen über 65 Jahre ausgewertet, die in den Jahren 1993 bis 2005 mit Tamoxifen behandelt worden waren. Etwa 30 Prozent bekamen gleichzeitig von ihren Ärzten ein SSRI verschrieben, da das Krebsleiden selbst, aber auch die „klimakterischen“ Nebenwirkungen von Tamoxifen zu einer depressiven Verstimmung führen können. Je länger Paroxetin eingenommen wurde, desto mehr Frauen starben an ihrem Mammakarzinom. Dieser Zusammenhang war für andere SSRI nicht nachweisbar.

Das Team hat ausgerechnet, dass die Einnahme von Paroxetin über 41 Prozent der Dauer der Hormonbehandlung im Verlauf von fünf Jahren zu einem zusätzlichen Brustkrebstodesfall unter 20 Frauen führt. Bei einer Paroxetineinnahme über die gesamte Dauer der Hormonbehandlung von in der Regel fünf Jahren betrug diese „Number needed to harm“ sogar nur 6,9. Für die übrigen Antidepressiva (die SSRI Fluoxetin, Sertralin, Fluvoxamin, Citalopram und den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Venlafaxin) wurde keine erhöhte Sterblichkeit gefunden.

Die Autoren fordern die Ärzte auf, Paroxetin nicht zusammen mit Tamoxifen zu verwenden. Prof. Dr. med. Stefan Willich, der Leiter des Institutes für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie an der Berliner Charité, dehnte die Warnung im Editorial (BMJ 2010; 340: c783) auf das SSRI Fluoxetin aus, für das ebenfalls Hinweise eine Wechselwirkung am CYP2D6 bekannt sei. Rüdiger Meyer

Fachgebiet

Zum Artikel

Der klinische Schnappschuss

Alle Leserbriefe zum Thema

Stellenangebote