

Viele Lebererkrankungen sind eng mit dem Darm verknüpft wie die
Fettleber oder die nichtalkoholische Steatohepatitis. Foto: Schering
Das Beziehungsgeflecht zwischen Darm und Leber spielt Prof. Dr. med. Tilmann Sauerbruch (Bonn) zufolge bei verschiedenen Erkrankungen eine wesentliche Rolle. „Funktionsstörungen im Darmbereich können Lebererkrankungen triggern, während umgekehrt Störungen der Leberfunktion Darmerkrankungen Vorschub leisten können“, fasste Sauerbruch zusammen.
Beispiele für die enge Verknüpfung zwischen Darm und Lebererkrankungen sind die Fettleber sowie die nichtalkoholische Steatohepatitis (NASH), ein Krankheitsbild, das parallel zur steigenden Inzidenz und Prävalenz von Übergewicht und Adipositas in der Gesellschaft an Häufigkeit zunimmt. Trigger der Erkrankung kann laut Priv.-Doz. Dr. med. Claus Hellerbrand (Regensburg) eine veränderte Darmflora sein, wie sie bei übergewichtigen Menschen regelhaft zu beobachten ist. Es könne dadurch zum Überwachsen bestimmter Keime im Darm kommen, gab der Mediziner zu bedenken. Die Folge: eine beeinträchtigte Barrierefunktion des Darms, eine erhöhte Permeabilität und dadurch bedingt eine Translokation der Bakterien. Das wiederum triggert Entzündungsreaktionen und damit die Progression einer bei der Adipositas oft vorliegenden Fettleber zu NASH, oder schlimmer noch, die Dekompensation bei einer bereits manifesten Leberzirrhose.
Umgekehrt können Störungen im Bereich der Leber die Funktion des Darms beeinträchtigen, wie Dr. med. Antonio Moschetta (Bari, Italien) darlegte. Fehlen etwa die in der Leber gebildeten Gallensäuren, so können Störungen der Verdauungsfunktion die Folge sein. Es kann dadurch zu Veränderungen der Darmflora mit einer nachfolgend gestörten Barrierefunktion und Translokation intestinaler Keime kommen.
Gallensäure wirkungsvoll
Wie eng die Allianz zwischen Darm und Leber tatsächlich ist, zeigt nach Prof. Dr. med. Ulrich Beuers (Amsterdam, Niederlande) das Beispiel der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC), einer cholestatischen Lebererkrankung, bei der in 70 Prozent der Fälle zugleich eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung – meist in Form der Colitis ulcerosa – vorliegt. Die PSC geht mit einem erhöhten Risiko sowohl für ein Cholangiokarzinom als auch für ein Pankreas- oder Kolonkarzinom einher.
Bei einer Behandlung mit der Gallensäure Ursodeoxycholsäure bessern sich jedoch nicht nur die Symptomatik und die Laborwerte, sondern es sinkt auch das Karzinomrisiko. „Die Behandlung mit der Gallensäure vermittelt ferner antiapoptotische Effekte und kann wahrscheinlich der Entwicklung von Leberzellläsionen und fibrotischen Prozessen sowie dem zirrhotischen Umbau der Leber entgegenwirken“, berichtete Beuers. Dass eine enge Assoziaion zwischen Leber und Darm besteht, verdeutlicht ein weiterer Befund: Erfolgt vor oder während einer Lebertransplantation aufgrund einer PSC eine Kolektomie, so reduziert sich das Risiko einer sich nach der Organverpflanzung erneut manifestierenden PSC erheblich. Sogar beim Abbau und der Elimination von Arzneimittelwirkstoffen machen Leber und Darm „gemeinsame Sache“: Der Metabolismus der meisten Medikamente erfolgt über das Zytochrom-P-450-System, das primär in der Leber lokalisiert ist. Das Enzymsystem, das eine Vielzahl von Abbauwegen umfasst, ist Prof. Dr. med. Matthias Schwab (Stuttgart) zufolge aber keineswegs auf die Leber beschränkt. „Wir wissen inzwischen, dass die Enzyme auch im Darm exprimiert werden“, sagte er. Das aber bedeute konkret, dass nicht nur der Leber, sondern auch dem Darm eine Funktion beim Stoffwechsel von Medikamenten sowie eine eindeutige Entgiftungsfunktion zukomme.
Christine Vetter
Bericht zum Falk-Workshop „Der Darm und die Leber“ in Bonn
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