BRIEFE
Niederlande: Wahlfreiheit kostet


In Deutschland hat der Patient inzwischen einen Kinderarzt, einen Hautarzt, einen HNO-Arzt, einen Gynäkologen und einen Internisten nach Wahl besucht und drei Apotheken. Der Hausarzt hat vielleicht einen Arztbrief bekommen, vielleicht auch nicht. Der Patient schluckt drei Medikamente, von denen der Hausarzt nichts weiß. Wenn der Hausarzt nicht erreichbar ist, geht der Patient abends oder nachts in die Rettungsstelle eines Krankenhauses.
Hausärzte spielen bei Kosteneinsparung in der ambulanten Gesundheitssorge in den Niederlanden eine wichtige Rolle, genauso wie angestellte Pflegeheimärzte (Facharzt Altersheilkunde oder Elderly Care Physician) in Pflegeheimen. 1 400 Fachärzte für Altersheilkunde stehen für eine medizinische Versorgung rund um die Uhr zur Verfügung; es gibt weniger Krankenhausaufnahmen, weniger Medikamente, adäquate Palliativpflege von multimorbiden alten Menschen. Vielleicht ist Holland in der Bewältigung von den Kosten des langen Lebens doch eine Blaupause für Deutschland.
Als niederländische Pflegeheimärztin bekam ich, wenn ich einen Patienten aufnahm, sofort die ganze medizinische Vorgeschichte, chronologisch dokumentiert, mit Medikamentenliste. Ich arbeite jetzt in einem deutschen Pflegeheim. Von den meisten Patienten ist nur der Arztbrief der letzten Krankenhausaufnahme vorhanden. Von Hausärzten bekomme ich kaum Information, wichtige Auskunft fehlt. (Keine Diagnostik bei Demenz). Mal bringen Patienten die bunte Buchhaltung mit von ihrem Shopping durch das deutsche Gesundheitssystem. Es gibt Patienten, die sich für eine Krankheit in fünf verschiedenen Kliniken behandeln lassen. Und jede Klinik macht ihr Labor und ihre Röntgenbilder. Die Kassen genehmigen. Wenn das keine Verschwendung ist. Die Wahlfreiheit kostet etwas! Die Niederländer geben 9,8 Prozent des BIP für Gesundheit aus, die Deutschen 11,1 Prozent . . .
Marijke van der Vaart-Bakker, 10707 Berlin
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