SUPPLEMENT: Reisemagazin
Genuss am Genfer See: Sahnekaramell und ein Hauch Zitrone
Dtsch Arztebl 2010; 107(13): [10]


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Maître Poyet macht eine stumme Geste der Verzweiflung, rollt mit den wachen Augen, schüttelt das weise Haupt. Nein, erklärt der drahtige Schweizer dann in weichem Französisch, was die da machen, hätte doch nichts mit Schokolade zu tun. Zu zuckrig, versetzt mit Zusatzstoffen und obendrein geschmacklos. Blaise Poyet ist Chocolatier aus Leidenschaft, und wen er mit „die da“ meint, ist klar: seinen mächtigen Nachbarn Nestlé. Beide, der erfindungsreiche Schokoladenmacher und der Lebensmittelmulti, residieren in Vevey, der schmucken Kleinstadt am Genfer See. Es ist ein bisschen wie die Geschichte vom unbeugsamen Asterix im römisch besetzten Gallien.
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Café Poyet: Feinste Zutaten und avangardistische Rezepturen
erwarten die Genießer. Foto: Thomas Meins
erwarten die Genießer. Foto: Thomas Meins
Die Schokoladenproduktion hat in Vevey eine lange Tradition, sie währt zwar noch keine 500 Jahre, geht aber zurück auf den Anfang des 19. Jahrhunderts. Louis Callier eröffnete 1819 in Vevey die erste Schweizer Schokoladenfabrik. Sein Schwiegersohn Daniel Peter erfand 1875 die erste Milchschokolade – mit Hilfe des Milchpulvers, das ein gewisser Heinrich Nestlé in seiner Fabrik in Vevey entwickelt hatte. Seit 1929 gehört die Marke Callier dem Nestlé-Konzern. Warum die Schokomacher von Callier bis Poyet sich ausgerechnet in Vevey niederließen, wo weit und breit keine Milchkühe grasen und natürlich erst recht keine Kakaobäume wachsen, kann man nur erahnen. Die Landschaft am Genfer See scheint auf Chocolatiers und andere Künstler inspirierend zu wirken: Die Weinberge des Lavaux verlocken zum Lustwandeln, der glatte, weite See lädt zum Träumen ein, auf der gegenüberliegenden, französischen Seite des Lac Léman glitzern die schneebedeckten Alpengipfel der Dents du Midi. Dazu das mediterrane Klima, eine gute, französisch-schweizerische Küche – Vevey ist schon seit Jahrhunderten ein Logenplatz für Kreative. Jean-Jacques Rousseau, Victor Hugo, Richard Wagner, Henry James und Vladimir Nabokov lebten, arbeiteten oder verbrachten ihre Ferien am Fuß des Mont Pélerin.
Berühmtester Einwohner Veveys aber war Charles Spencer Chaplin. Der Filmstar kaufte 1952 das Anwesen Manoir de Bain in Coursier-sur-Vevey und genoss bis zu seinem Tod 1977 das Panorama über dem Genfer See. An der Seepromenade steht heute die Statue des Tramps, im Frühjahr 2012 soll endlich das Chaplin-Museum eröffnen: Das Herrenhaus und eine neu errichtete Halle in Form eines Filmstudios zeigen dann private Gegenstände des Genies, Szenen und Kulissen aus seinen Filmen. Blaise Poyet hat das Thema Chaplin längst auf seine Weise umgesetzt. Er goss die berühmtesten Schuhe der Filmgeschichte, die übergroßen Galoschen des Tramps, in Schokolade und verkauft sie als mundgerechte Pralinés, paarweise oder in einer Filmdose mit sieben Schokoschuhpaaren. Ein amüsant-anregender Genuss – wie Charlies Filme. Thomas Meins
Informationen
Chocolaterie: Confiserie Poyet, Rue de Theatre 8, Telefon: 0041 21 9213737, Internet: www.confiseriepoyet.ch, Führungen nach Vereinbarung.
Übernachten: Le Mirador Kempinski am Mont Pélerin oberhalb von Vevey, CH-1801 Le Mont Pélerin, Telefon: 0041 21 9251111, Internet: www.mirador.ch, Doppelzimmer mit Frühstück ab 690 Schweizer Franken.
Auskünfte: Vevey Tourisme, Place du Marché 29, Telefon: 0041 84 8868484, Internet: www.montreux-vevey.com.