THEMEN DER ZEIT: Das besondere Buch
Krankenhausökonomie: Wegweiser für ein Leistungszentrum


In einer solchen Periode besteht ein großer Bedarf an neuen Perspektiven für die Krankenhäuser, an berufspolitischen Optionen und gesundheitspolitischer Reflexion. Besonders begrüßenswert sind solche Initiativen, die aus dem Kreis derjenigen erfolgen, die lange im Krankenhaus gewirkt bzw. dort noch Verantwortung tragen. Das soeben erschienene Buch "Vom Krankenhaus zum Medizinischen Leistungszentrum"1) ist hierfür ein praktischer Beleg. Der hier versammelte Sachverstand garantiert, daß eine kurzschlüssige, zum Beispiel nur an Kosten orientierte Betrachtungsweise vermieden und durch eine positive Projektion überwunden wird.
Der Bedarf an konzeptioneller Orientierung für die künftige Krankenhauswirtschaft besteht auch deshalb, weil sich die gegenwärtigen Reformansätze der Politik gerade im Krankenhaussektor als insuffizient erwiesen haben. Es fehlen klare ordnungspolitische Wegmarken, die Einzelschritte der Neuordnung der Krankenhauswirtschaft erscheinen unkoordiniert und lassen Verantwortungslücken (zum Beispiel dauerhafte, ordnungspolitisch klare Finanzierung der Instandhaltung). Eine Krankenhauspolitik, die den Kriterien einer seriösen Staatskunst genügt, ist zur Zeit nicht zu erkennen. Die Gefährdung des bisher unumstritten hohen Leistungsniveaus der deutschen Krankenhäuser ist nicht unrealistisch.
Mehr Verständnis für Ökonomie
Die Darlegungen des Fachbuches tragen auch dazu bei, alte Denkmuster aufzulösen und neue Blickrichtungen
zu entwickeln: Der Arzt im Krankenhaus muß sich auf eine zusätzliche ökonomische (Mit-)Verantwortung
einstellen, das betten- und kapazitätsorientierte Denken klassischer Provenienz ist obsolet, die Forderung nach
verstärkter interner und externer Kooperation und Koordination im Prozeß der Leistungserstellung zwingend.
Ärzte, die in der ambulanten Praxis, und solche, die in der Klinik tätig sind, haben ein gemeinsames
Handlungsverständnis zu entwickeln. Das überkommene interne Organisations- und Hierarchiegefüge ist den
modernen Herausforderungen einer hochspezialisierten Medizin anzupassen.
Die Qualität konzeptioneller Entwürfe ist an der Klarheit der Grundpositionen und Prämissen zu erkennen. Für
unverzichtbar ist einzuschätzen die Wahlfreiheit der Patienten und die freie Berufsausübung aller Ärzte, die
Erkenntnis, daß strukturelle Probleme des Gesundheitswesens nicht im unmittelbaren Kontakt Patient-Arzt zu
lösen sind, daß auch in Zukunft die sozialen Sicherungssysteme mit einem Überhang des medizinisch
Möglichen fertig werden müssen, daß moderne, arbeitsteilige Medizin nur im Miteinander innerhalb der
Profession und zwischen den Disziplinen gelingen kann und daß es zu einer neuen fairen Arbeitsteilung und abstimmung zwischen ambulantem und stationärem Sektor kommen muß. Die Autoren lassen im übrigen auch
keinen Zweifel daran, daß das Krankenhaus des nächsten Jahrhunderts ein Zentrum der Hochleistungsmedizin
bleiben wird und sich nicht auf Pflege, Betreuung und Sterbebegleitung - so wichtig diese Funktionen in
Zukunft auch sein werden - reduzieren läßt.
Die kritische Bestandsaufnahme ebenso wie die unkonventionellen Vorschläge verdeutlichen aber auch, daß die
Probleme des Gesundheitswesens nicht mit konventionellem Besitzstandsdenken und kurzsichtigem
Lobbyismus zu lösen sein werden. Dringend erforderlich sind verläßliche rechtliche Rahmenbedingungen,
unter denen eine qualitätsorientierte Weiterentwicklung des Krankenhaussektors erst möglich ist. Eine
hochstehende stationäre Patientenversorgung ist ein zentraler Anker für den sozialen Frieden in modernen
Gesellschaften.
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe,
Präsident der Ärztekammer Nordrhein,
Vizepräsident der Bundesärztekammer
1) Elmar Mayer/Beowulf Walter/Klaus Bellingen (Hrsg.): Vom Krankenhaus zum Medizinischen
Leistungszentrum (MLZ). Ambulante und stationäre Patientenversorgung der Zukunft, Deutscher Ärzte-Verlag
GmbH, Köln; Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart, 1997, 334 Seiten, geb., 128 DM