POLITIK: Leitartikel
EU-Patentrichtlinie: Teile des menschlichen Körpers unter Patentschutz


Das Europaparlament verband seine Zustimmung zur Patent-Richtlinie für gentechnische Erfindungen mit der Forderung nach einigen Nachbesserungen. So sollen gentechnische Verfahren für die menschliche Embryonenforschung von der Patentierbarkeit ausgenommen werden. Die gebilligte Vorlage geht nun erneut an die EU-Kommission zurück. Diese hat bereits angekündigt, sie wolle die Wünsche des Parlaments weitgehend berücksichtigen. Offenbar will die Brüsseler Behörde nicht riskieren, daß die gesamte Richtlinie gekippt wird, wie das vor zwei Jahren der Fall war. Damals hatte das Europa-Parlament einen Kompromißvorschlag abgelehnt, so daß die Kommission den Text neu erarbeiten mußte.
Förderung der
Forschung
Die geplante Richtlinie soll die Interessen der gentechnischen Industrie schützen und zugleich die Forschung in diesem Bereich fördern. Sie sieht vor, daß gentechnische Erfindungen und Verfahren sowie unter bestimmten Umständen auch Teile des menschlichen Körpers unter Patentschutz gestellt werden können. Dabei wird zwischen "Erfindungen" und "Entdeckungen" unterschieden. Erstere sollen grundsätzlich patentierbar sein, die zweiten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Auf menschliche Zellen oder Gene etwa können Patente dann erteilt werden, wenn sie durch gentechnische Verfahren isoliert, identifiziert oder vermehrt wurden. Eine Sequenz von DNA-Abschnitten des menschlichen Erbguts kann als Erfindung eingestuft und unter Patentschutz gestellt werden, wenn ihre gewerbliche Anwendbarkeit - etwa für die Pharmaforschung - klar dargelegt wird. Dagegen sollen der "menschliche Körper in allen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung" sowie seine Bestandteile wie Keimzellen und Gene "in ihrem natürlichen Zustand" nicht patentierbar sein.
Grundsätzlich vom Patentschutz ausschließen will die Richtlinie auch Verfahren, die auf eine Änderung der menschlichen Keimbahn und das Klonen von Menschen abzielen. Der Entwurf sieht ferner den Ausschluß von Erfindungen vor, die gegen die "öffentliche Ordnung und guten Sitten" verstoßen oder die "Menschenwürde verletzen könnten". Als Beispiel dafür werden Verfahren genannt, die auf die Herstellung von Mischlebewesen aus Mensch und Tier abzielen. Diese seien "natürlich ebenfalls von der Patentierbarkeit auszunehmen", heißt es in dem Richtlinienentwurf.
Damit sei eine "ethisch motivierte Grenzziehung" in der Richtlinie sichergestellt, meint der CDU-Abgeordnete und Arzt Dr. med. Peter Liese. Er räumt allerdings ein, daß die Richtlinie viele ethische Probleme im Zusammenhang mit Gen- und Biotechnologie ungelöst läßt. Diese könnten aber ohnehin nicht durch das Patentrecht gelöst werden, betont Liese. Auch die SPD-Politikerin Evelyne Gebhardt meint, die Richtlinie stelle sicher, daß menschliche Gene und Gensequenzen "in ihrem natürlichen Zustand" Allgemeingut der Menschheit bleiben und somit den Forschern weiterhin frei zur Verfügung stehen. Kontroverse Debatte
Sprecher der wichtigsten Fraktionen des Europa-Parlaments unterstrichen während der dreistündigen und äußerst kontroversen Debatte das Bedürfnis der biotechnischen Industrie nach Schutz des geistigen Eigentums. Schon jetzt seien die US-Amerikaner und Japaner den Europäern in diesem Bereich um Jahre voraus, sagte der belgische Liberale Philippe Monfils. Für die sozialdemokratische Fraktion wies der Franzose Jean-Pierre Cot auf den Nutzen der Biomedizin für Menschen mit schweren Erbkrankheiten wie Mukoviszidose hin. Auch könne der Hunger in der sogenannten dritten Welt dank gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere besser bekämpft werden.
Massive Kritik an der Vorlage äußerten erwartungsgemäß die Grünen. Die Zustimmung des Parlaments sei ein "ethisches Desaster", meinte die Saarbrücker Abgeordnete Hiltrud Breyer. Moralische Bedenken seien den Interessen der Industrie geopfert worden. Der Mensch werde durch die Patent-Richtlinie auf ein "ausschlachtbares Rohstofflager" und zu "biologischem Material" reduziert. Dies verletze die Menschenwürde. Die deutsche Sprecherin der Grünen-Fraktion Claudia Roth bezweifelt, daß die Richtlinie die Freiheit der Forschung und Lehre wahrt. Genau das Gegenteil sei der Fall: Wissenschaftliche Erkenntnisse würden durch die Patent-Richtlinie zur "Verfügungsmasse finanzkräftiger Konzerne". Letztlich werde es eine Frage des Geldes sein, wer Zugang zu Forschungsergebnissen in diesem Bereich erhält. "Kleinere Forschungslabors werden dadurch ins Hintertreffen geraten", warnt Roth.
Mehrere hundert
Patente
Dagegen begrüßte die Europäische Vereinigung der Pharmazeutischen Industrie das Votum. Es werde zu mehr Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa führen, hieß es in einer Stellungnahme des Verbandes. Zumindest in einem sind sich Gegner und Befürworter der Richtlinie einig: Eine EU-weite Regelung ist dringend notwendig, denn Patente auf gentechnologische Erfindungen werden heute schon vom Europäischen Patentamt in München erteilt - und zwar auf der Grundlage eines Patentabkommens aus den 70er Jahren, das der wissenschaftlichen Entwicklung schon lange nicht mehr gerecht wird. Unterzeichner des Abkommens sind die 15 Unionsländer sowie Monaco, die Schweiz und Liechtenstein.
Nach Auskunft eines Sprechers wurden vom Patentamt bereits mehrere hundert Patente auf gentechnische Erfindungen erteilt, darunter auch auf gentechnisch veränderte Tiere. So ließ sich ein US-amerikanischer Konzern eine Krebsmaus patentieren. Eine australische Pharma-Firma ließ in München ein Gen aus den Eierstöcken einer Frau patentieren, das zur Herstellung des wehenauslösenden Medikaments "Relaxin" verwendet wird. Elisabeth Braun
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