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Internationale Psychoanalytische Universität: Freuds Erbe lebt weiter


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Sigmund Freud selbst hatte 1926 bereits die „Phantasie“ einer psychoanalytischen Hochschule. In seinem Werk „Die Frage der Laienanalyse“ stellte er sich vor, dass an einer solchen Hochschule „vieles gelehrt werden“ müsse, nicht nur aus den Bereichen Medizin und Psychologie, sondern auch aus den Gesellschafts- und Kulturwissenschaften. An diese Fantasie erinnerte die Direktorin der International Psychoanalytic University (IPU), Prof. Dr. Christa Rohde-Dachser, bei der Gründung der privaten Hochschule im Herbst 2009. Eine solche Hochschule habe die „einmalige Chance“, die Zusammenhänge zwischen psychischen Erkrankungen und der Gesellschaft zu erforschen.
Schon im Studium soll die Psychoanalyse vorkommen
Ob Freuds Fantasie Realität werden kann, wird sich zeigen – die erste psychoanalytische Hochschule Deutschlands ist schließlich noch kein Jahr alt. Grund für den Aufbau war in erster Linie, Freuds Lehre nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. „Die Psychoanalyse hat in den letzten 20 Jahren immer mehr an Boden verloren“, stellt Rohde-Dachser fest, die unter anderem Professorin am Institut für Psychoanalyse der Goethe-Universität Frankfurt/M. war. Der generelle Trend gehe in Richtung naturwissenschaftliche Psychologie. Wenn Lehrstühle von Professoren mit psychoanalytischer Orientierung vakant würden, würden sie entweder gar nicht mehr oder mit verhaltenstherapeutisch orientierten Lehrern besetzt, sagt Rohde-Dachser. „Mir ist wichtig, dass die Psychologiestudierenden bereits im Studium erfahren, dass es die Psychoanalyse gibt.“ Aus diesem Grund hat sie sechs Millionen Euro aus ihrem privaten Vermögen – sie ist Gesellschafterin des Logistikunternehmens Dachser – der „Stiftung zur Förderung der universitären Psychoanalyse“ gestiftet. Diese Stiftung ist alleiniger Gesellschafter der gemeinnützigen IPU GmbH, die wiederum Träger der staatlich anerkannten Hochschule im Berliner Stadtteil Moabit ist.
70 Studierende befinden sich derzeit im ersten Semester des Masterstudiengangs Klinische Psychologie/Psychoanalyse, der als viersemestriges Vollzeit- und achtsemestriges Teilzeitstudium konzipiert ist. Sie müssen dafür tief in die Tasche greifen: Für das Vollzeitstudium betragen die Studiengebühren 4 000 Euro pro Semester, für das Teilzeitstudium die Hälfte. Hinzu kommen Gebühren für die zweimonatigen Brückenkurse, wenn man keinen Bachelor in Psychologie oder Soziologie vorweisen kann, die einführende Grundlagen der Psychologie vermitteln. Aufgenommen werden nämlich auch Studenten „Psychologie-affiner“ Fächer wie Theologie, Soziologie, Medizin, Politologie oder auch Theaterwissenschaften. „Letztendlich entscheidet kein Numerus clausus, sondern ein persönliches Gespräch über die Aufnahme an der IPU“, sagt Gründungspräsident Prof. Dr. Jürgen Körner, Psychoanalytiker und emeritierter Professor für Sozialpädagogik an der Freien Universität Berlin. Nach bestandenem Master ist die Hochschullaufbahn eine mögliche Perspektive für die Studenten. Die Absolventen können auch als Psychologen in Kliniken arbeiten oder eine Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten anschließen.
Weiterbildungsangebote für Diplom-Psychologen
Weiter bietet die IPU auch eine viersemestrige Weiterbildung als Masterstudiengang für Diplom-Psychologen, -Pädagogen und Psychotherapeuten jeweils zu den Schwerpunkten Delinquenzprävention und Frühe Hilfen/Frühförderung an. Bislang gab es hierfür jedoch noch nicht genügend Interessenten. Ab dem Sommersemester 2010 wird zudem ein sechssemestriges Bachelorstudium in Psychologie angeboten – natürlich auf psychoanalytischer Grundlage.
Die IPU steht ganz am Anfang und muss erst noch die Anerkennung durch den Wissenschaftsrat erwerben – in etwa fünf Jahren. Zudem muss die Finanzierung auf Dauer gelingen – mit Hilfe von Fundraising, Forschungsprogrammen, projektgebundener staatlicher Förderung und Studiengebühren. Die Namensliste der Dozenten und auch die der Gastprofessoren ist jedenfalls beeindruckend (www.ipu-berlin.de) und belegt, dass viele Wissenschaftler sich einer psychoanalytischen Hochschule verbunden fühlen.
Petra Bühring