POLITIK
Woche für das Leben: Plädoyer für ein solidarisches Gesundheitswesen


Mit einem ökumenischen
Gottesdienst
haben im
Frankfurter Kaiserdom
Erzbischof
Robert Zollitsch
(links) und Landesbischof Ulrich Fischer
die „Woche für das
Leben“ eröffnet. Foto: EPD
Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung seien Solidarsysteme, die nach dem Prinzip „einer trage des anderen Last“ aufgebaut seien, sagte der Freiburger Erzbischof. „Die solidarische Krankenversicherung, die wir zukunftsfähig machen müssen, bietet den Menschen Sicherheit und Rückendeckung in einer Welt mit immer neuen Risiken. Gerade deshalb ist es unerlässlich, offen und ehrlich über die verschiedenen Reformvorschläge zu diskutieren und tragfähige Lösungen zu erarbeiten.“ Es sei unbestritten, dass starke Schultern mehr tragen müssten als schwache. Zollitsch mahnte aber auch „die eigene Vorsorge und das Bemühen, der Gemeinschaft nicht ohne Not zur Last zu fallen“, an. Ansonsten läuft seiner Auffassung nach die Solidarität Gefahr, ausgebeutet zu werden.
Im Gesundheitswesen gehe es jedoch nicht nur um finanzielle, sondern auch um grundlegende ethische Fragen, ergänzte Fischer. Die Kirche selbst müsse ein Beispiel dafür geben, was es heißen könne, „kranken und behinderten Menschen, demenzkranken Älteren oder den Angehörigen von Pflegeberufen einen Platz in der Gemeinschaft zu geben. Schulen und Betriebe könnten ebenfalls einen wesentlichen Beitrag für eine solche Öffnung leisten, zum Beispiel mit Programmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflegearbeit, mit der Integration behinderter Schülerinnen und Schüler in Regelschulen, aber auch mit einer Lern- und Arbeitskultur, die trotz aller Leistungs- und Mobilitätsanforderungen menschengerecht bleibe.
Zollitsch wies zudem auf den Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialer Lebensform beziehungsweise Bildung hin und forderte veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen: „Wenn wir zum Beispiel wissen, dass Kinder aus armen Familien weniger gesund leben als ihre sozial besser gestellten Schulkameraden, und wir gleichzeitig wissen, dass ein höherer Bildungsstand in aller Regel zu einem höheren Einkommen führt, dann stehen wir in dem breiten Sektor der Gesundheitsversorgung vor weitaus umfangreicheren als nur monetären Aufgaben.“ Gesundheit sei eben nicht jederzeit wiederherstellbar, betonte Zollitsch. „Daher verpflichtet uns das christliche Verständnis vom Menschen dazu, gerade dort die Stimme zu erheben, wo grundsätzlich die Begrenztheit menschlichen Lebens nicht mehr akzeptiert wird, wo die berechtigte Sorge um Gesundheit das Maß verliert und sich in einen medizinisch-biotechnischen Machbarkeitswahn steigert.“
Fischer erinnerte in diesem Zusammenhang an die besondere Verantwortung der Kirchen: „Das gesellschaftliche Diktat von dau-ernder Leistungskraft und Fitness schließt uns gegen vermeintliche Schwächen und vermeintlich Schwache ab. Darum erheben wir als Kirchen unsere Stimme.“ Diese Meinung teilte auch bei einem Podiumsgespräch der Kölner Psychiater und Publizist, Dr. med. Manfred Lütz. „Kirchen müssen dazu beitragen, den Gesundheitsbegriff zu ,entsakralisieren‘“, forderte er.
Gisela Klinkhammer
@Weitere Informationen:
www.woche-fuer-das-leben.de
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