THEMEN DER ZEIT
Infektionsprophyhlaxe: Suche nach Infizierten ist effektiv
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Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde im April 2009 bekanntgegeben, dass sich in Mexiko und den USA Patienten mit einem bis dahin unbekannten Influenzastamm infiziert hatten. Diese initial als „Schweinegrippe“ bezeichnete Erkrankung wurde im Verlauf als A/H1N1 oder Neue Influenza bezeichnet (1). Am 11. Juni wurde durch die WHO aufgrund der anhaltenden Mensch-zu-Mensch-Übertragung in mehreren Kontinenten die Pandemiestufe 6 ausgerufen. Zu diesem Zeitpunkt gab es der Statistik zufolge etwa 30 000 Erkrankte und 144 Todesfälle (2).
Woher kommen
die Passagiere?
Das ist die entscheidende
Frage,
um gezielt nach
Reisenden und
Flugpersonal mit
verdächtigen
Krankheitszeichen
suchen zu können. Foto: picture alliance/SZ
Im Rahmen einer Eindämmungsstrategie (Containment) am Flughafen Düsseldorf International wurden ab dem 29. April bis zum 9. Juli auf Weisung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen die aus Nord- und Mittelamerika einreisenden Flugpassagiere durch Mitarbeiter des Gesundheitsamtes auf die Symptome einer bestehenden Infektion mit dem A/H1N1-Virus untersucht.
In wenigen Tagen reiste das Virus von Amerika nach Europa
Im Verlauf wurden die Kontrollen auf Flüge aus Großbritannien und den spanischen Urlaubsgebieten ausgedehnt. Die Durchführung dieser Kontrollen erfolgte auf der Grundlage von Aussteigerkarten (Passenger Locator Cards, PLC), die bereits während des Fluges durch die Crew an alle Passagiere ausgeteilt wurden. Lagen Symptome gemäß den zu dieser Zeit gültigen Falldefinitionen des Robert-Koch-Instituts vor, erfolgte eine weitere Diagnostik und gegebenenfalls eine Quarantäne. Die engen Kontaktpersonen wurden erfasst und ebenfalls einer Quarantäne unterzogen. Etwa vier Wochen nach Etablierung des „Entry Screening“ wurde in Düsseldorf erstmals eine Infektion mit A/H1N1 bei einer aus den USA zurückgekehrten Familie festgestellt. Ab Mitte Juli wurden ebenfalls Kontrollen bei Busreisenden aus den Feriengebieten des Mittelmeerraums, hauptsächlich aus Spanien, durchgeführt.
Die Düsseldorfer Erfahrungen haben gezeigt, dass das von der WHO geforderte „Entry Screening“ zumindest in der Frühphase einer Pandemie möglich ist. Allerdings ist der personelle und finanzielle Aufwand beträchtlich. Die Maßnahmen waren nur durch frühzeitigen Einsatz zusätzlicher Honorarkräfte von den Mitarbeitern des öffentlichen Gesundheitsdienstes dauerhaft zu bewältigen. Auch die Hotline für die Beantwortung von Fragen der Bevölkerung sowie von rückkehrenden Reisenden hat sich in der angespannten Situation sehr bewährt.
Beim Screening von Passagieren ist eine gute Kooperation mit den Fluggesellschaften und dem Betreiber des Flughafens eine zwingende Voraussetzung. Bei den Airlines, die keine eigenen Mitarbeiter vor Ort haben, ist die schnelle Informationsweitergabe deutlich schwieriger. Eine enge Koordination zwischen öffentlichem Gesundheitsdienst, dem Flughafenbetreiber sowie den Airlines war in Düsseldorf durchgehend gegeben. Aber: Eine engere und belastbare Abstimmung mit den Verantwortlichen der umliegenden Kommunen wäre wünschenswert gewesen.
Früh war ein einheitliches Prozedere beim Umgang mit Kontaktpersonen festzulegen. Insbesondere musste bestimmt werden, welcher Umkreis um den Indexfall im Flugzeug als ansteckungsverdächtig anzusehen war. Naturgemäß hängt dies in hohem Maß von der festgestellten Erkrankung ab. Dazu darf das Potenzial der Crew, Infektionen an Fluggäste zu übertragen, nicht unterschätzt werden. Hier sind vor allem Flugbegleiter zu nennen, die nach unserer Feststellung gesichert A/H1N1 übertragen haben.
Rasche PCR-Diagnostik bei verdächtigen Symptomen
In Düsseldorf wurden Reisende mit festgestellten Krankheitssymptomen zur weiteren Diagnostik ins Universitätsklinikum gebracht, wo ein Abstrich zur PCR-Untersuchung auf A/H1N1 durchgeführt wurde. Als Problem erwies sich häufig der Transport des Gepäcks der betroffenen Personen. Es galt, Vorbehalte gegenüber „infektionsverdächtigen“ Gepäckstücken zu überwinden. Im Rahmen eines akuten Ausbruchs, noch mehr natürlich bei einer Pandemie, ist eine ausreichende Ausrüstung an Material essenziell. Im Düsseldorfer Gesundheitsamt wird hierfür immer eine Grundausstattung (FFP-2/3-Masken, Schutzanzüge, Handschuhe) vorgehalten, um auch bei Lieferengpässen ausreichend gerüstet zu sein. Die Influenzapandemie hat auch die Problematik der Desinfektion von Flugzeugen verdeutlicht, die immer nur mit Mitteln erfolgen kann, die vom jeweiligen Flugzeughersteller zugelassen sind.
Auch dazu ist es sinnvoll, im Vorfeld eine Absprache über das Prozedere mit den Airlines beziehungsweise dem zuständigen Desinfektor zu bewirken. Eine frühzeitige Einbindung der seriösen Medien ist unerlässlich, um den teils irrationalen Ängsten der Bevölkerung zu begegnen. Die SARS-Epidemie hat eindrücklich gezeigt, dass durch ein korrektes Screening von Passagieren und Containment die Ausbreitung wirksam verhindert werden kann (4).
Das in Düsseldorf praktizierte Vorgehen des strengen Containments hat initial dazu geführt, dass frühzeitig A/H1N1-Patienten identifiziert werden konnten, so dass in der Frühphase der Pandemie eine statistische Häufung der Fälle in der Region Düsseldorf auffiel. Gründe hierfür sind vor allem in der aktiven Fallermittlung (active case finding) zu suchen.
Rückblickend war das Prozedere des Containments insofern erfolgreich, da gezeigt wurde, dass innerhalb kürzester Zeit ein wirksames „Entry Screening“ organisiert werden konnte. Aus heutiger Sicht mag die Maßnahme zu streng erscheinen, im Frühjahr 2009 lagen die Voraussetzungen zur Entscheidung anders und wurden auch rückblickend richtig getroffen: Der Ausbreitung einer offensichtlich hochinfektiösen Erkrankung mit noch weitgehend unbekannter Virulenz musste wirksam begegnet werden.
Die Kosten der Infektionsabwehrmaßnahmen sind erheblich. So wurden bis zum 18. Januar 2010 für die Stadt Düsseldorf Gesamtkosten in Höhe von etwa 560 000 Euro verursacht. Hiervon entfielen auf den Bereich der Personalkosten (Honorarkosten, Kosten für Zeitarbeitskräfte, ausgezahlte Überstunden) circa 410 000 Euro und auf den Bereich der Sachkosten (Laborleistungen, Materialkosten, Fahrtkosten et cetera) etwa 150 000 Euro.
Bei unzureichender Information über die Virulenz einer sich schnell ausbreitenden Infektionserkrankung würden die Verantwortlichen sicher wieder genauso handeln müssen in der Erkenntnis, dass durch striktes Containment eine Einschleppung wirksam behindert werden kann. In der Organisation würde zum Screening von Reisenden neben Ärzten schneller speziell geschultes Assistenzpersonal zusätzlich eingesetzt werden. Diese Ergänzung führt zu einer deutlichen Kosteneinsparung und hat den Vorteil, dass kurzfristig auf mehr Personal zurückgegriffen werden kann. Der infektiologisch versierte Arzt vor Ort bleibt jedoch unverzichtbar.
Organisatorisch wichtig bleibe die Vorbereitung und frühzeitige flexible Angleichung kooperativer Strukturen – beginnend am Flughafen mit dem Betreiber, in unserem Fall der Flughafen Düsseldorf GmbH, und den Fluggesellschaften, den Mitarbeitern der beteiligten Rettungsdienste, der Flughafenfeuerwehr und der Berufsfeuerwehr Düsseldorf, und vor allem für Diagnostik und Therapie mit dem Universitätsklinikum Düsseldorf.
Eine zentrale Aufgabe für uns alle bleibt die verbindliche Angleichung des Vorgehens auf den deutschen Flughäfen mit einem vergleichbaren Screening unter Verwendung gleicher Aussteigerkarten. Nach WHO-Vorgaben sind diese zu verwenden, einheitliche Vorgaben müssen jedoch erfolgen, um die Verwendung schon für die Crews, die die PLC verteilen, zu erleichtern und um in der folgenden Bearbeitung die schnelle maschinelle Lesbarkeit zu gewährleisten.
Die medizinische Begutachtung von Reisenden wird immer arbeits- und zeitintensiv sein, selbst bei guter Vorbereitung wird es deshalb zu einer Verzögerung des normalen Flugbetriebs kommen. Ein „Entry Screening“ bindet während der Laufzeit bei einem höheren Aufkommen an interkontinentalen Flügen erhebliche Ressourcen und muss sicherlich kritisch diskutiert werden.
Bundeseinheitliche Strategien bei Pandemie wünschenswert
Eine Pandemie erfordert von allen Beteiligten ein außerordentlich hohes Maß an Flexibilität und Im-provisationsvermögen, das auch bei noch so dezidierter Planung nötig sein wird. Die kritische Reflexion nach Beendigung der Maßnahmen und deren Evaluation unter Einbeziehung aller Beteiligten bestätigt die grundsätzliche Effizienz des Düsseldorfer Vorgehens. Eine interessante Erfahrung der Influenzapandemie war, dass die vor Jahren festgelegten kommunalen Pandemiepläne nur sehr wenig zur Beherrschung der Situation herangezogen wurden. Die Erfahrungen mit der Influenzapandemie werden sicher dazu beigetragen, die Pandemieplanungen künftig „mit mehr Leben“ zu füllen. Es ist zu hoffen, dass einer erneuten Pandemie mit einem bundeseinheitlichen Vorgehen begegnet wird.
Dr. med. Klaus Göbels MPH
Prof. (BG) Dr. med. Heiko Schneitler
Gesundheitsamt Düsseldorf
Kölnerstraße 180, 40227 Düsseldorf
E-Mail: klaus.goebels@duesseldorf.de
@Literatur im Internet:
www.aerzteblatt.de/lit1710
1.
World Health Organisation (WHO): Influenza-like illness in the United States and Mexico.
2.
World Health Organisation (WHO): DG Statement following the meeting of the Emergency Committee.
4.
Gaber W, Goetsch U, Diel R, Doerr HW, Gottschalk R: Screening for Infectious Diseases at international Airports: The Frankfurt Model Aviation, Space and Environmental Medicine. 2009; 80(7): 595–600. MEDLINE
5.
Ralph Steven Baric: SARS-CoV: Lessons for global health Virus Res. 2008; 133(1): 1–3. MEDLINE
1. | World Health Organisation (WHO): Influenza-like illness in the United States and Mexico. |
2. | World Health Organisation (WHO): DG Statement following the meeting of the Emergency Committee. |
3. | Phases 5-6 Pandemic. |
4. | Gaber W, Goetsch U, Diel R, Doerr HW, Gottschalk R: Screening for Infectious Diseases at international Airports: The Frankfurt Model Aviation, Space and Environmental Medicine. 2009; 80(7): 595–600. MEDLINE |
5. | Ralph Steven Baric: SARS-CoV: Lessons for global health Virus Res. 2008; 133(1): 1–3. MEDLINE |
Donhauser, Johannes