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Dominikanische Republik: Vom Main ins Surferdorf


Dr. med. Gideon Plaut spricht Englisch, Spanisch „und fließend Hessisch“, wie er lächelnd sagt. Er ist in Israel geboren, in Frankfurt am Main aufgewachsen und zur Universität gegangen, hat sich in New York 1983 mit Aidsforschung beschäftigt und praktiziert heute im Surferdorf in Cabarete in der Dominikanischen Republik.
Fotos: Bernd Kubisch
„Ich bekam den Arztberuf nicht in die Wiege gelegt von Eltern oder Verwandtschaft. Es war aber immer mein Wunsch gewesen, Menschen medizinisch zu helfen.“ Doch zunächst scheiterte Plaut am Numerus clausus in Deutschland. Der Wahlhesse machte einen „kleinen Umweg“ über Antwerpen in Belgien. Er redet über die Höhen und Tiefen seines Lebens sehr gelassen: „Ich bin Legastheniker. Dies wurde spät entdeckt. Dann machte ich eine Therapie. Meine Noten verbesserten sich.“ Nun wurde er an der Universität in Frankfurt akzeptiert, musste aber seine Scheine nachmachen. Die Approbation erhielt Plaut 1982 in Frankfurt, arbeitete anschließend ein halbes Jahr an der Kurklinik in Bad Salzhausen. Doch bald war ihm Hessen zu klein. Dies war auch die Zeit, als die ersten Aidsfälle in New York bekanntwurden. „1983 begann ich im Health Department als Volontär, dann arbeitete ich für die Aids Medical Foundation.“ Dazu war ein Empfehlungsschreiben von Prof. Dr. med. Eilke Brigitte Helm förderlich. Die Forscherin machte sich als Expertin für Aidserkrankungen an der Goethe-Universität in Frankfurt einen Namen und behandelte schon 1982 die ersten Patienten. Nach dem Tod des Vaters kehrte Plaut nach Frankfurt zurück, arbeitete auch ein Jahr als praktischer Arzt im Frankfurter Nordend. Doch bodenständig war er nicht. Die Karibik lockte. „Das war mein Traum, schon als Student hatte ich Praktika in Barbados und Jamaika gemacht.“ Es klopft an seiner Tür. Eine Mitarbeiterin tritt ein. Die ersten Patienten seien da und warteten, sagt sie. Plaut schaut auf die Uhr und nickt.
„Wir müssen hier
so gut wie alles
machen – Fachärzte
und das nächste
Krankenhaus sind
mehr als 50 Kilo -
meter entfernt.“
Zwei Fußminuten sind es von der Arztpraxis zum Strand. An diesem sonnigen Tag gleiten Dutzende von Surfern auf ihren Brettern über das Meer, andere klammern sich zwischen Gischt und Himmel an ihre Kites. Spektakulär ist ein Abendspaziergang über den weiten, feinsandigen Strand, vorbei an den Bars, Pubs und Restaurants. Mond und Sterne strahlen mit Kerzen, Lampen und Lampions um die Wette. Reggaeklänge mischen sich mit Calypso, Salsa und Merengue: „Das ist es, was ich liebe. Seit meinem Praktikum in Barbados hat mich die Karibik nicht mehr losgelassen.“
Zu Plauts Patienten zählen neben Dominikanern auch Touristen und hier lebende Deutsche. Claudia Schwarz aus Aachen, seit 20 Jahren in Cabarete, hat nahe der Praxis ihr Hotel. Sie sagt: „In der Dominikanischen Republik haben alle Menschen mehr Zeit, auch die Ärzte für ihre Patienten. Und ein gutes Gespräch hilft vielen.“
Eine ungewöhnliche
Geschichte:
In Israel geboren,
in Frankfurt aufgewachsen
und als Forscher
in New York, behandelt
Gideon Plaut
heute Patienten in
einem Surferparadies
in der Karibik.
Cabarete ist ein ruhiger Ort für Sportler, nichts für Sextouristen. Deshalb kommen Urlauber mit Sorgen wegen eines geplatzten Kondoms und HIV-Infizierung selten in die Praxis. Inzwischen gibt es in dem Land eine soziale Krankenversicherung mit einer Plastikkarte, die von Ärzten akzeptiert wird. Leute ohne festen Job haben so eine Versicherung noch nicht.
Zu seinem Glauben sagt der Arzt: „Ich bin Jude, aber kein praktizierender.“ Wenn er wollte, könnte er regelmäßig in die Synagoge im nahen Sosua gehen. Etwa 700 Juden fanden 1933 vor der Verfolgung in Nazideutschland in der Dominikanischen Republik eine neue Heimat. Der damalige dominikanische Diktator Rafael Trujillo nahm die Einwanderer jedoch nicht aus Nächstenliebe auf. Er schätzte deutsche Tüchtigkeit und wollte sein Volk auch etwas „heller“ in der Hautfarbe machen. „Egal wo Juden und Israelis heute sind, ihre Geschichte ist allgegenwärtig – auch in der Karibik“, sagt der Arzt.
Bernd Kubisch