ArchivDeutsches Ärzteblatt17/2010Arztgeschichte: Der Anästhesist

SCHLUSSPUNKT

Arztgeschichte: Der Anästhesist

Oppitz, Niels

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Zeichnung: Elke R. Steiner
Zeichnung: Elke R. Steiner
„Auf alle Sorgen, die die Patientin angesichts der ihr bevorstehenden anästhesiologischen Maßnahmen hatte, ging ich ein.“

Es war ein schöner Sommertag vor ein paar Jahren. Schön, nicht nur wegen des Wetters, sondern auch, weil nicht allzu viel Arbeit anlag: Ich konnte mir reichlich Zeit nehmen für das Aufklärungsgespräch mit der älteren Dame, die einen gefäßchirurgischen Eingriff vor sich hatte. Ihr Mann hörte aufmerksam zu, als wir uns über die Vorerkrankungen seiner Frau unterhielten. Zu fast jedem Punkt des fast zweiseitigen Fragebogens hatte sie etwas zu erzählen. Weniges davon war für mich wirklich relevant, aber ich hatte ja Zeit. Und so hörte ich nicht nur zu, sondern unterhielt mich rege mit der sympathischen Patientin.

Dann kam mein Part: Schritt für Schritt legte ich unser geplantes Vorgehen dar, langsam und ausführlich. An einem anderen Tag hätte ich eine solche Verlängerung des Gesprächs vielleicht als lästig empfunden – ich bin kein Heiliger –, aber in diesem Fall war es nicht so. Und: Wünscht man sich nicht für die eigenen Verwandten ebenso ungeteilte ärztliche Aufmerksamkeit, wenn sie sie brauchen?

Lange sprachen wir über Vor- und Nachteile von Allgemeinanästhesie und Regionalverfahren. Ich argumentierte mit Statistiken und – wo mir diese fehlten – auch mal mit ein wenig Augenzwinkern. Auf alle Sorgen, die die Patientin angesichts der ihr bevorstehenden anästhesiologischen Maßnahmen hatte, ging ich ein, in der festen Überzeugung, dass eine gute Aufklärung ähnlich anxiolytisch wirkt wie die üblichen 7,5 mg Midazolam p.o.

Wie das so ist, kamen natürlich auch einige Fragen, die ins chirurgische Fachgebiet fielen. Stets verwies ich hierbei auf die Kollegen. Endlich war es so weit: Alle Probleme und offene Fragen waren erörtert worden. Ein in meinen Augen gutes, fruchtbares Aufklärungsgespräch war beendet, der Bogen unterschrieben.

Da hatte die Dame doch noch eine Frage: „Herr Doktor, operieren Sie mich morgen?“

Gerade wollte ich – einen tiefen Seufzer unterdrückend – antworten, dass ich „nur“ für die Narkose verantwortlich sein werde, da sprang ihr Mann für mich ein . . . und ruinierte mit einem Satz meinen Tag:

„Nein, Schatz, so weit ist er noch nicht!“
Niels Oppitz

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