PARACELSUS-MEDAILLE
Eduard Seidler: Gegen das Vergessen
DÄ plus


Prof. Dr. med. Eduard Seidler
leitete viele Jahre das Institut für
Geschichte der Medizin an der
Universität Freiburg. Er beschäftigte
sich intensiv mit der Rolle
der Medizin in der NS-Zeit. Foto: privat
1947 legte er in Mainz – damals Teil der französischen Besatzungszone – das französische Zentralabitur ab. Im selben Jahr schrieb er sich für das Fach Humanmedizin an der Universität Mainz ein. Nach dem Physikum setzte er sein Studium in Paris fort. Als erster deutscher Student nach dem Krieg wurde er an der dortigen Fakultät freundschaftlich aufgenommen. Zurück in Deutschland legte er 1953 in Heidelberg das Staatsexamen ab und wurde zum Dr. med. promoviert. In seiner Dissertation befasste er sich mit einem gynäkologischen Thema.
Nach Stationen in Heidelberg und Hamburg, begann er 1955 seine pädiatrische Weiterbildung an der Universitätsklinik Heidelberg. 1961 legte er die Prüfung zum Facharzt für Kinderheilkunde ab. Seidler war aber auch noch von einem anderen Fach begeistert: von der Geschichte der Medizin. Dabei lag sein Interesse nicht auf der üblichen Geschichte des medizinischen Fortschritts, vielmehr war ihm wichtig, welche Erklärungsmodelle verschiedene Kulturen und Epochen für die Phänomene Gesundheit, Kranksein und Heilung liefern.
Schon während seiner Weiterbildung zum Kinderarzt verfasste er medizinhistorische Publikationen. Ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft ermöglichte ihm 1963 den Wechsel. Mit einer Studie über die Heilkunde des Mittelalters in Frankreich habilitierte er sich an der Heidelberger Universität. 1967 erhielt er den Ruf auf den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg. Das dortige Institut leitete er bis zu seiner Emeritierung 1994 und entwickelte es zu einem modernen Ort der Forschung und Lehre.
Wissenschaftlich hatte er zahlreiche Schwerpunkte. Zunehmend wandte er sich aber der Medizin im Dritten Reich zu. 1984 war er an der Gründung der Historischen Kommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin beteiligt. Im Auftrag dieser Fachgesellschaft fertigte er eine Studie zum Schicksal jüdischer Pädiater in der NS-Zeit an. Mehr als 750 Einzelbiografien wurden aufbereitet. In seinem Werk thematisiert Seidler auch, wie sich die Fachgesellschaft schuldig machte, als sie – zwar auf Geheiß des Naziregimes, aber doch bereitwillig – ihre jüdischen Mitglieder ausschloss. 2007 erschien eine erweiterte Neuauflage der Dokumentation „Jüdische Kinderärzte 1933–1945. Entrechtet, Geflohen, Ermordet“.
Besonders eingesetzt hat sich Seidler darüber hinaus für die medizinische Ausbildung. Zahlreiche Generationen von Studierenden sensibilisierte er für die humanwissenschaftlichen Aspekte der Medizin. Unter anderem war er Prorektor für Auslandsangelegenheiten der Freiburger Universität, von 1979 bis 1981 war er Prodekan und Dekan der Medizinischen Fakultät.
Neben der Geschichte der Medizin galt Seidlers Interesse medizin-ethischen Fragen. Von 1983 bis 1990 wirkte er als Vorsitzender der Ethikkommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg.
Anschrift:
Bernhardstraße 1
79098 Freiburg
Foto: privat
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