DEUTSCHER ÄRZTETAG
(Muster-)Weiterbildungsordnung: Keine Polemik, bitte!
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DÄ plus


In Dresden standen zwei Punkte auf der Tagesordnung: eine Bilanz der ersten bundesweiten Umfrage zur Situation in der Weiterbildung und eine Überarbeitung der MWBO. Dabei sei allerdings keine grundsätzliche Neufassung vorgesehen, betonte der stellvertretende Vorsitzende der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. med. Franz-Joseph Bartmann, der zugleich Präsident der Landesärztekammer Schleswig-Holstein ist. „Es geht um die Anpassung in einzelnen Punkten.“
Zwar ist eine grundlegende Überarbeitung der MWBO geplant und Bartmann zufolge „überfällig“, bis 2013, wie vielfach gefordert, sei das aber kaum zu leisten. Die Weiterbildungsgremien befürworten demnach, die Weiterbildungsordnung in ein modulares System zu überführen. Das würde bedeuten, dass man für die einzelnen Fachgebiete Grundkenntnisse definiert, zu denen Module dazukommen, die im einen Fachgebiet freiwillig abgeleistet werden können und im anderen verpflichtend sind. „Da kann man sich dann je nach Facharztintensität entscheiden: Das muss ich erwerben, das kann ich erwerben, das ist nichts für mich“, hatte der Vorsitzende der BÄK-Weiterbildungsgremien, Dr. med. H. Hellmut Koch, bereits im Vorfeld des Ärztetags im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erläutert. Schwerpunkte und Zusatzbezeichnungen würden entfallen – und damit auch die Diskussionen darüber. Stattdessen wären die Module führungsfähige Bezeichnungen. „Ein modulares System könnte viele der derzeitigen Probleme beheben“, betonte auch Bartmann jetzt in Dresden. „Die Zeit für die Umsetzung dieser Idee scheint gekommen.“
Julian Veelken
forderte mehr
Engagement der
Ärztekammern:
„Sie müssen das
Gefühl vermitteln,
dass sie die
Weiterzubildenden
während ihrer
Weiterbildung
begleiten.“
In Dresden erhielten jetzt auch die Allgemeinmediziner wieder ihr eigenständiges Gebiet. Denn einzelne Landesärztekammern waren nie dem 2002 in Rostock vorbereiteten und dann 2003 in Köln bestätigten Kompromiss gefolgt, den Hausarzt neuer Prägung in ihren Weiterbildungsordnungen umzusetzen. So beschlossen Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, den Facharzt für Allgemeinmedizin beizubehalten. Das uneinheitliche Vorgehen rief die Europäische Kommission auf den Plan, die Korrekturen forderte – ganz abgesehen davon, dass auch die Ärzte in Weiterbildung nicht froh darüber sein können, dass zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Bayern unterschiedliche Regeln gelten. In Dresden mahnte deshalb Dr. med. Volker Pickerodt, Berlin: „Wenn wir Änderungen beschließen, appelliere ich an Sie, diese auch einheitlich umzusetzen.“ Den jungen Kollegen werde sonst die Migration erschwert.
Vittoria Braun,
leidenschaftliche
Allgemeinmedizinerin,
appellierte:
„Wir sollten wieder
unser eigenes Fach
bekommen, so wie
jeder seinen Namen
braucht für seine
Identität.“
Rudolf Henke
sieht die Evaluation
der Weiterbildung
als Instrument der
Qualitätssicherung:
„Die Weiterbilder
müssen die
Weiterbildung zu
ihrer Sache machen
und die Ergebnisse
in ihrer Abteilung
besprechen.“
„Das zweistufige Normsetzungsverfahren scheint auf Akzeptanz zu stoßen und Akzeptanz zu schaffen“, erklärte Bartmann am Ende der Beratungen. „Es ist zwar mühsam, aber vermutlich lohnt es sich.“ Denn auf dem Spiel stehe auch die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung. „Die Weiterbildung ist ureigene Aufgabe der Ärzteschaft.“ Sie dürfe nicht zur Disposition stehen, weil es an Einigkeit mangele und Kompromisse nicht einheitlich umgesetzt würden.
„Viele verstehen den Föderalismus falsch“, hatte zuvor auch der Vorsitzende der Weiterbildungsgremien Koch kritisiert, der wegen einer Erkrankung nicht am Ärztetag in Dresden teilnehmen konnte. Föderalismus bedeute nicht, dass jeder mache, was er wolle, sondern: „Wir machen etwas Gemeinsames unter heimischem Aspekt.“
Koch und Bartmann wiesen in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Konflikt hin: den mit den Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese definierten im Rahmen von Verträgen mit den Krankenkassen immer häufiger Qualitätsstandards für die Versorgung, die Ärztinnen und Ärzte dann zusätzlich zu den Anforderungen aus der Weiterbildungsordnung erfüllen müssten. Das würde entbehrlich, wenn die Kammern sich besser und schneller auf solche Qualitätskriterien einigen könnten, ist Koch überzeugt. „Schließlich sind die Ärztekammern für Qualität und Weiterbildung zuständig.“
Franz-Joseph
Bartmann
kündigte für die Zukunft
eine grundlegende
Novellierung
der Weiterbildungsordnung
an: „Ein
modulares System
könnte viele der
derzeitigen Probleme
beheben.“
Transparenz sollte auch die im vergangenen Jahr erstmals von der BÄK und den Landesärztekammern durchgeführte Evaluation der Weiterbildung (www.evaluation-weiterbildung.de) schaffen. Für BÄK-Vorstandsmitglied Bartmann war sie ein Erfolg. Die Ergebnisse belegten, dass die Weiterbildung in Deutschland grundsätzlich gut sei. In der Gesamtbeurteilung hatten die Assistenzärzte ihre Weiterbildung durchschnittlich mit einer 2,5 nach dem deutschen Schulnotensystem bewertet (siehe auch „Evaluation der Weiterbildung – Ein erster Schritt“, DÄ, Heft 10/2010). Allerdings hätten sich in den Einzelauswertungen auch Defizite gezeigt, räumte Bartmann ein: 48 Prozent der Assistenzärzte hätten angegeben, keinen strukturierten Weiterbildungsplan zu haben, bei 39,5 Prozent seien keine Lernziele vereinbart worden. Trotzdem müsse man sehen, was durch die Evaluation erreicht worden sei. Ziel sei es gewesen, Stärken und Schwächen auszuloten und darzustellen, inwiefern sich die Rahmenbedingungen negativ auf die Qualität der Weiterbildung auswirkten. „Die Zahlen sind das erste Ergebnis einer ersten Umfrage. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und dann überlegen, was wir verändern können“, sagte Bartmann.
Als problematisch empfanden zahlreiche Delegierte die geringe Teilnahmerate der Ärzte in Weiterbildung von etwa 33 Prozent. Viele Assistenzärzte hätten von der Evaluation nichts gewusst, erklärte Christine Hidas, Hessen. Eine wichtige Ursache dafür ist aus ihrer Sicht die Tatsache, dass die Ärzte in Weiterbildung die Zugangscodes für die Online-Befragung von ihren Chefs erhielten. „Wenn wir die Assistenten nicht direkt ansprechen, wird die Beteiligung beim nächsten Mal genauso sein“, prognostizierte Hidas.
Keine Schnellschüsse: Der Ärztetag
diskutierte sachorientiert und überwies
Anträge, die nicht mit den Landesärztekammern
abgestimmt waren, in die Weiterbildungsgremien.
Die Ergebnisse der Befragung lassen viel Raum für Spekulationen. Schließlich ist denkbar, dass es zu einer Vorselektion kam, weil vor allem die vorbildlichen Weiterbildungsbefugten die Codes an ihre Assistenten weitergaben. Zweifel wurden auch an der Methodik geäußert. „Der Mittelwert allein sagt nichts aus“, kritisierte Prof. Dr. med. Wulf Dietrich, Bayern, die Darstellung der Ergebnisse. Wichtig sei eine differenzierte Darstellung, die auch die Verteilung von Häufigkeiten oder Beteiligungsquoten betrachte. Einem entsprechenden Antrag stimmten die Delegierten mit großer Mehrheit zu. Bei der nächsten Evaluation sollen die Assistenzärzte zudem direkt auf die Ergebnisse in den Befugtenberichten zugreifen können.
Im Großen und Ganzen waren sich die Delegierten jedoch einig, dass die Evaluation der Weiterbildung ein Schritt in die richtige Richtung ist. Erwartungsgemäß stimmte der Ärztetag deshalb auch der Fortsetzung des Projekts zu. Die nächste Erhebung ist für das Frühjahr 2011 geplant.
Außerdem forderte das Ärzteparlament die Landesärztekammern zum Handeln auf: „Der Deutsche Ärztetag fordert und fördert die Gewährleistung einer umfassenden und im Alltag praktizierten ärztlichen Weiterbildung durch Maßnahmen der Ärztekammern.“ Deutlich wurde in der Diskussion, wie wichtig es ist, die Qualität der Weiterbildung zu verbessern – auch um die Akzeptanz der Ärztekammern bei ihren Mitgliedern zu steigern. „Die Kollegen draußen müssen sehen: Wir tun etwas für sie“, forderte Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Scholz, Hessen. Dem stimmte Dr. med. Julian Veelken, Berlin, zu. Bei den Weiterbildungsassistenten sei das Image der Kammern schlecht. Diese würden eher als Prüfungsbehörden empfunden. Deshalb müsse man klarmachen, dass die Ärztekammern die Weiterbildung begleiteten und sich für ihre Mitglieder einsetzten. „Dieses Bewusstsein ist bei jungen Ärztinnen und Ärzten nicht vorhanden.“
Dr. med. Birgit Hibbeler, Heike Korzilius
In Kürze
Die wichtigsten Beschlüsse zum Thema Weiterbildung:
• Die Allgemeinmedizin ist wieder ein eigenständiges Gebiet. Der „Facharzt für Allgemeinmedizin“ ersetzt den „Facharzt für Innere Medizin und Allgemeinmedizin“.
• Der „Facharzt für Allgemeine Chirurgie“ heißt jetzt „Facharzt für Allgemeinchirurgie“. Eine Entscheidung über die Neuordnung der Chirurgie (Zusammenfassung der Allgemein- und Viszeralchirurgie) wurde vertagt.
• Für die Weiterbildungsbefugten ist künftig die Teilnahme an der „Evaluation der Weiterbildung“ verpflichtend.
• Die Landesärztekammern sollen bei ihren Mitgliedern den Status der Weiterbildung erheben – etwa mit dem Meldebogen für den Kammerbeitrag. Ziel ist es, die Assistenzärzte bei der Evaluation der Weiterbildung direkt anzuschreiben. Sie erhalten den Zugangscode dann nicht mehr von ihrem Chef.
Deutsches Ärzteblatt plus
zum Thema
Unnewehr, Markus; Siebers, Ludwig
Spanholtz, Timo A.
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