ArchivDeutsches Ärzteblatt PP6/2010Gesundheitspolitik: Kampf um die Kopfpauschale

EDITORIAL

Gesundheitspolitik: Kampf um die Kopfpauschale

Meißner, Marc

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Gerechter, zukunftssicher und transparent sollte die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden. Mit diesem Ziel hat Philipp Rösler das Amt des Bundesgesundheitsministers angetreten. Seine Patentlösung: ein einkommensunabhängiger Arbeitnehmerbeitrag, die sogenannte Kopfpauschale, mit einem steuerfinanzierten Sozialausgleich. Doch spätestens nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist es wahrscheinlich, dass er seine Reformpläne in der derzeitigen politischen Konstellation nicht umsetzen kann. Auch stehen bei der momentanen Finanzlage keine Steuermittel zur Verfügung, um den notwendigen Sozialausgleich zu bezahlen.

Rösler hat sich den Gegebenheiten angepasst und präsentierte Anfang Juni unter dem Titel „Modell einer Gesundheitsprämie mit sozial gestaffelten Beiträgen“ eine Kopfpauschale light. Die Krankenkassen sollen demnach zusätzlich zum prozentualen Beitragssatz eine einkommensunabhängige Prämie von bis zu 30 Euro erheben. Von Geringverdienern wird nach diesem Konzept ein reduzierter Beitragssatz von fünf Prozent erhoben, während die besserverdienenden GKV-Versicherten bis zu 7,9 Prozent bezahlen sollen. Der Sozialausgleich erfolgt somit nicht aus Steuermitteln, sondern über gestaffelte Beitragssätze innerhalb der GKV.

Doch gerade diese Steuerfinanzierung war ein Kernelement der ursprünglichen Kopfpauschale. Sie sollte dafür sorgen, dass sich auch die Besserverdienenden, die häufig privat versichert sind, am Ausgleich zwischen Arm und Reich in der GKV beteiligen – für Rösler ein wesentlicher Schritt, um das Gesundheitssystem insgesamt gerechter zu finanzieren. Diesen Ausgleich in das GKV-System zu verlagern, macht dessen Finanzierung allerdings nicht gerechter, sondern führt nur zu einer zusätzlichen Belastung des Mittelstands, der so das Milliardenloch im GKV-Haushalt stopfen darf.

Auch schafft dieses Finanzierungsmodell nicht mehr Transparenz – im Gegenteil. Für den Versicherten wird es undurchsichtiger, wie viel er tatsächlich zu zahlen hat, wenn sich sein Beitrag aus einem gestaffelten prozentualen Anteil und einer Prämie zusammensetzt. Sinn und Zweck dieser komplizierten Regelung ist wohl eher, bei den Krankenkassen die nötige Infrastruktur zu schaffen, die für eine spätere Umstellung auf eine komplett einkommensunabhängige Pauschale notwendig ist.

So sehr dieses Modell nach einem Schnellschuss aussieht, um das Prinzip einer Kopfpauschale schon mal im System zu etablieren, so schnell musste sich Philipp Rösler auch wieder davon verabschieden. Denn nicht nur von der Opposition, auch aus der eigenen Koalition hagelte es Kritik. Horst Seehofer (CSU) lehnte Röslers Finanzierungsmodell grundlegend ab.

In einer Krisensitzung einigten sich die Parteispitzen von CDU, CSU und FDP zunächst darauf, alle Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen, bevor man über Beitragserhöhungen verhandle. Darüber hinaus soll bis zur parlamentarischen Pause Anfang Juli ein gemeinsames Konzept von den Koalitionsparteien erarbeitet werden. Ob Rösler seine einkommensunabhängige Pauschale durch diese Verhandlungen retten kann, bleibt abzuwarten. Ohne politische Rückendeckung durch die Kanzlerin wird ihm dies kaum gelingen.

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