

Jeder vierte Studierende leidet unter psychischen Störungen. Dank eines mittlerweile breiten Versorgungsnetzwerks durch psychologische und psychotherapeutische Beratungsstellen an Hochschulen können verhältnismäßig viele Betroffene betreut und behandelt werden. Mit welchen Problemen und Störungen Studierende heutzutage in die Beratungsstellen kommen, haben Psychologen um Prof. Dr. Rainer Holm-Hadulla an der Universität Heidelberg untersucht. Sie werteten die Daten von mehreren Klienten- und Feldstichproben aus den vergangenen 15 Jahren aus und konnten zeigen, dass Studierende hauptsächlich unter depressiven Verstimmungen, mangelndem Selbstwertgefühl und Prüfungsängsten leiden. Der Vergleich mit früheren Studien zeigt, dass die Häufigkeiten psychischer Beschwerden in den letzten 15 Jahren konstant geblieben sind, mit Ausnahme der Prüfungsängste. Diese haben zwischen 1993 und 2008 um 51 Prozent zugenommen. Auffallend war auch, dass die Zahl der Studierenden, die eine Beratungsstelle aufsuchen, in jüngster Zeit sprunghaft gestiegen ist. „Die starke Nachfrage könnte auf Prüfungsängsten sowie Lern- und Arbeitsschwierigkeiten im Zuge der Umstellung der Studiengänge auf Bachelor und Master zurückzuführen sein“, vermuten die Wissenschaftler. Mit den aktuellen Reformen gehen ihrer Meinung nach kreative Freiräume verloren. Das Studium wird dominiert von Vorgaben, Pflichtveranstaltungen und Prüfungen, Konkurrenz zu Kommilitonen und mangelnden Freiräumen. Neugier, Selbstgestaltung und die persönliche Entwicklung kommen hingegen zu kurz. Da sich daran nur langsam etwas ändert, werden sich universitäre Beratungsstellen noch länger auf hohe Klientenzahlen einstellen müssen. ms
Holm-Hadulla R, Hofmann FH, Sperth M, Funke J: Psychische Beschwerden und Störungen von Studierenden. Psychotherapeut 2009; 54(5): 346–56.
Prof. Dr. Rainer Holm-Hadulla, Psychotherapeutische Beratungsstelle für Studierende, Studentenwerk, Gartenstraße 2, 69115 Heidelberg, E-Mail: rainer.holm-hadulla@stw.uni-heidelberg.de