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Anhörung zum GKV-Änderungsgesetz: Mit Kritik wurde nicht gespart
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Ein wenig Schadenfreude lag in der Luft, als Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) im März ein Bündel von Maßnahmen vorlegte, um bei den Arzneimittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu sparen und die Spielregeln der Preisbildung bei innovativen Medikamenten zu verändern. Ums Sparen bei Arzneimitteln komme eben kein Bundesgesundheitsminister herum, urteilten damals viele. Selbst wenn er damit die Wähler seiner Partei vor den Kopf stoße. Rösler wiederum erläuterte, man hoffe auf jährliche Einsparungen von bis zu 1,8 Milliarden Euro.
Gleiches Recht für alle forderte PKV-Verbandschef Volker Leienbach.
Auch PKV-Versicherte sollten von den Sparmaßnahmen bei
Arzneimitteln profitieren. Foto: PKV
Nachteile für orphan drugs und Biotechprodukte
Vor diesem Hintergrund fand am 19. Mai im Gesundheitsausschuss des Bundestages die Anhörung zu den im März angekündigten Sparmaßnahmen statt (Kasten). Ziel der Koalition ist es, wesentliche Teile davon bereits zum 1. August umzusetzen. Dass die bislang geplanten Einsparungen nicht ausreichen würden, um die aktuellen Finanzprobleme der Krankenkassen zu lösen, betonte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Sie forderte eine Nullrunde für den ambulanten Bereich, ausdrücklich auch für die vertragsärztlichen Honorare: „Durch eine Nullrunde könnten wir im ambulanten Bereich rund eine Milliarde Euro einsparen.“
Kritik an der Übergangsregelung zur Datenverarbeitung in
Selektivverträgen übt weiterhin Thilo Weichert. Der Datenschützer
fordert präzise Regeln für alle Sozialdaten. Foto: ULD
Der VFA verlangt, dass zumindest im Fall von Innovationen, für die bereits dezentrale Rabattverträge mit den Krankenkassen geschlossen wurden, keine pauschale Anhebung um zehn Prozent gelten soll. VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer forderte zudem, einzelne Marktsegmente noch einmal genauer zu analysieren beziehungsweise Härtefallklauseln zu erwägen. Sonst belaste man beispielsweise die Produkte junger Biotechunternehmen, die man in den letzten Jahren staatlich gefördert habe, nun mit hohen Rabatten, ähnlich wie sogenannte orphan drugs für seltene Erkrankungen.
Mit Interesse wurde im Rahmen der Anhörung die Argumentation des Verbandes der privaten Krankenversicherung (PKV) verfolgt. Verbandsdirektor Dr. Volker Leienbach forderte, die angestrebten Sofortmaßnahmen zur Ausgabenbegrenzung bei Arzneimitteln sollten auch für privat Krankenversicherte gelten. In den zehn Jahren zwischen 1997 und 2007 seien die Arzneimittelausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung um 68 Prozent, in der PKV um 85 Prozent gestiegen. Wenn man die Rabatte lediglich für zulasten der GKV verordnete Medikamente erhöhe, sagte Leienbach „dann wird dieses Ungleichgewicht natürlich noch größer“.
Der PKV-Verband verlangt aber nicht nur, dass auch er in Zukunft erstmals von einem Herstellerrabatt profitiert. Zusätzlich solle der Apothekenabschlag ebenfalls für Privatversicherte gelten. Diesen Preisnachlass von derzeit 2,30 Euro pro Packung müssen Apotheker bislang nur gesetzlich Krankenversicherten gewähren. „Es ist keinem Versicherten zu vermitteln, für dasselbe Arzneimittel aufgrund seines Versichertenstatus einen höheren Preis zu zahlen“, argumentiert der Verband.
Das „Handelsblatt“ kommentierte, darin zeige sich ein Strategiewechsel bei den PKV-Unternehmen. Die Argumentation passt in der Tat gut zur neuen Linie, vom Gesetzgeber mehr Verhandlungsmacht gegenüber den Leistungserbringern zu fordern. Ein Beispiel dafür ist der Vorschlag an den Gesetzgeber, privaten Krankenversicherungsunternehmen die Möglichkeit einzuräumen, mit Gruppen von Ärzten abweichend von der Amtlichen Gebührenordnung Honorarvereinbarungen zu treffen.
Universitätsklinika verlangen ebenfalls Ausgabendeckel
Von Preisbegrenzungen bei Medikamenten würden auch die Universitätsklinika gern profitieren. „Wir brauchen für innovative patentgeschützte Arzneimittel auch im Krankenhaus eine Deckelung der Preise wie bei den Vertragsärzten“, forderte Rüdiger Strehl, Generalsekretär des Verbandes der Universitätsklinika (VUD), im Vorfeld der Anhörung. „Die Pharmafirmen dürfen sich nicht auf unsere Kosten schadlos halten.“
Strehl wies darauf hin, dass der Anteil der Arzneimittelkosten in Krankenhäusern im Durchschnitt bei 5,1 Prozent der Gesamtausgaben liege, in Universitätsklinika jedoch bei neun Prozent. Wenn es jetzt zu Preisdämpfungen im vertragsärztlichen Sektor komme, so die Sorge des VUD, würden die Pharmafirmen dies durch Preissteigerungen im stationären Bereich zu kompensieren versuchen.
Der Lübecker Hämatologe und Onkologe Priv.-Doz. Dr. med. habil. Sebastian Fetscher äußerte sich ebenfalls kritisch zur Preispolitik der Pharmafirmen. In seinem Fachbereich seien die Preise für Arzneimittel in den letzten Jahren erheblich gestiegen, erklärte Fetscher. Betrugen die Ausgaben für die ambulante medikamentöse Krebstherapie im Jahr 2003 noch 723 Millionen Euro, so waren es im Jahr 2008 bereits knapp 2,2 Milliarden Euro.
Abermals wurde ausführlich darüber debattiert, ob man privaten Rechenzentren übergangsweise bis Juni 2011 erlauben solle, Daten aus Selektivverträgen zu verarbeiten. Bundesgesundheitsminister Rösler hat diese Lösung im Gesetzespaket vorgesehen. Die SPD-Bundestagsfraktion will keine Übergangsregelung, sondern die Erlaubnis unbefristet bestehen lassen. Die Diskussion darüber hält nun schon seit Monaten an, vor allem, weil es im Kern dabei immer auch um die Zukunft der Hausarztverträge nach § 73 b Sozialgesetzbuch V geht (DÄ, Heft 8/2010).
Der schleswig-holsteinische Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Thilo Weichert verwies im Rahmen der Anhörung auf eine aktuelle Entschließung der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu diesem Thema. Darin würden präzise Regelungen für den Schutz von Sozialdaten gefordert, „gleich, ob die Daten unter Einschaltung privater oder öffentlich-rechtlicher Abrechnungsstellen verarbeitet werden“.
Weichert hat in seiner schriftlichen Stellungnahme eine Vielzahl von Gründen aufgeführt, warum er eine Verlängerung der jetzigen Regelung für unzulässig hält. So bemängelt er, dass die Vertragspartner im Rahmen der Hausarztverträge festlegen könnten, welche Daten sie benötigten und verarbeiteten, und sich dies nicht nach Vorgaben im Sozialgesetzbuch richten müsse. Als Beispiel führte Weichert das Softwaremodul an, mit dessen Hilfe Verordnungsdaten übermittelt werden. Es werde faktisch „als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zwischen Kassen und Hausarztverbandsbereich behandelt“.
Weicherts Ansicht widersprach unter anderem der ehemalige sächsische Datenschutzbeauftragte. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, konterte, die Hausärzte hätten kein Interesse an einer Aushöhlung der Schweigepflicht und seien bereit, jedes geforderte Datenschutzniveau zu erfüllen.
Gegen den Vorschlag, die Abrechnung im Rahmen der Hausarzt- wie anderer Selektivverträge den Kassenärztlichen Vereinigungen zu übertragen, wandte sich Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes: Es müsse möglich sein, in Selektivverträgen Abrechnungsmöglichkeiten vorzusehen, die nicht über die Kassenärztlichen Vereinigungen liefen. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen wie auch der Verband der Ersatzkassen haben sich zur beabsichtigten Übergangsregelung allerdings kritisch geäußert.
Sabine Rieser
Ein neuer Omnibus
Mit ihrem „Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften“ wollte die schwarz-gelbe Koalition zunächst nur einige wenige Änderungen am Sozialgesetzbuch (SGB) vornehmen. Dazu zählt beispielsweise die einjährige Verlängerung der Übergangsregelung, wonach Patientendaten aus Hausarztverträgen nach § 73 b SGB V an privatärztliche Verrechnungsstellen weitergeleitet werden dürfen. Der Entwurf hat den Bundesrat bereits im ersten Durchgang passiert und befindet sich nun in erster Lesung im Bundestag.
Mittlerweile werden mit dem Änderungsgesetz aber zugleich Teile der geplanten Neuerungen für den Arzneimittelbereich auf den Weg gebracht, die Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Ende März als Eckpunkte präsentierte, nämlich die schnell wirksamen Sparmaßnahmen. Dadurch sollen die Krankenkassen allein im Jahr 2011 um schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro entlastet werden.
Damit die Regelungen bereits zum 1. August in Kraft treten können, wurde das „Omnibus-Verfahren“ gewählt. Dabei werden Regelungen an ein Vorhaben gehängt, das sich bereits im Gesetzgebungsprozess befindet.
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