POLITIK
Honorarreform: Das Gebot der Stunde: Umverteilen


Vom 1. Juli an werden freie Leistungen wie Akupunktur in der Menge begrenzt. Dadurch soll mehr Geld für die Basisversorgung zur Verfügung stehen. Außerdem werden die Honorare von Haus- und Fachärzten getrennt weiterentwickelt.
Noch sind die Sparpläne der Bundesregierung für das Gesundheitswesen vage. Angesichts eines Defizits von elf Milliarden Euro, das den gesetzlichen Krankenkassen im nächsten Jahr droht, besteht allerdings Handlungsbedarf. Dass den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ob der angespannten Finanzlage eine Nullrunde bei den Honoraren ins Haus steht, hält der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. med. Andreas Köhler, dennoch für unwahrscheinlich.
In Zeiten des Ärztemangels gelte es, die Attraktivität des Arztberufs zu steigern, sagte Köhler vor der Presse in Berlin. Dazu gehöre eine angemessene Honorierung. Außerdem unterstütze die Politik die Pläne der KBV, die großen regionalen Unterschiede bei den Honorarzuwächsen zu beseitigen, die seit Inkrafttreten der Honorarreform Anfang 2009 für heftigen Streit zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) sorgen. Die Reform benachteiligt nämlich diejenigen KVen, die sich in der Vergangenheit einen relativ hohen Punktwert durch strenge Mengenbegrenzungen gesichert haben.
Um hier wieder mehr Honorargerechtigkeit herzustellen, hatte sich eine Sondervertreterversammlung der KBV bereits im Mai darauf geeinigt, dass ausgehandelte Steigerungen vor allem dazu dienen sollen, die Einkommen der niedergelassenen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in den Regionen zu erhöhen, die bei der jüngsten Honorarreform schlechter abgeschnitten haben als andere. Köhler schätzt, dass dafür circa 800 Millionen Euro zusätzlich in die morbiditätsorientierte Gesamtvergütung fließen müssen. Er hofft deshalb, dass sich Gesundheitspolitiker wie Jens Spahn (CDU) mit Plänen für einen – wenn auch begrenzten – Zuwachs bei den ärztlichen Honoraren durchsetzen können.
Für mehr Honorargerechtigkeit soll auch eine Mengenbegrenzung bei den sogenannten freien Leistungen wie Akupunktur oder Schmerztherapie sorgen. Weil die Menge der freien Leistungen in vielen KVen das vorab kalkulierte Volumen überschreitet, müssen zahlreiche Arztgruppen von Quartal zu Quartal sinkende Regelleistungsvolumen (RLV) hinnehmen. Denn die Differenz muss im Folgequartal jeweils ausgeglichen werden. Das geht nur mit Geld aus dem Topf, der eigentlich für die RLV reserviert ist, weil die Kassen meist keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen.
Die Steigerungsraten lagen bei einigen Leistungen im dreistelligen Prozentbereich, sagte Köhler: „Darauf mussten wir reagieren.“ Zur Steuerung werden deshalb qualifikationsgebundene Zusatzvolumen (QZV) eingeführt. Außerdem werden künftig aus der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung zunächst die RLV finanziert und erst danach die QZV berechnet. Bislang lief das Verfahren umgekehrt.
„Der Beschluss, den wir jetzt nach langem Streit mit den Kassen gefasst haben, bringt zwar nicht mehr Geld, aber eine notwendige Umverteilung“, betonte Köhler. Profitieren werden vor allem die Basisversorger, die kaum Leistungen außerhalb der RLV abrechnen können. Allerdings wird es aufgrund regionaler Spielräume bei der Ausgestaltung der QZV auch weiterhin von KV zu KV höchst unterschiedliche Fallwerte geben.
Ebenfalls vom 1. Juli an werden die haus- und die fachärztliche Vergütung strikt getrennt. „Diese Trennung ist irreversibel und wird dazu führen, dass sich auch die einzelnen Vergütungsanteile getrennt weiterentwickeln“, sagte Köhler. Die Hausärzte fordern diese Trennung seit Jahren. Zugrunde liegt die Sorge, die Fachärzte könnten ihre Leistungen immer stärker zulasten des hausärztlichen Sektors ausweiten, weil diese weniger stark pauschaliert sind. Die Trennung bietet aber nach Ansicht Köhlers auch Vorteile für die Fachärzte. Sie schütze diese vor den finanziellen Folgen einer Bereinigung der Gesamtvergütung im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung.
Heike Korzilius