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Pluripotente Stammzellen: Zweifel an der Echtheit


Im Wettlauf um Erfolge auf dem Gebiet der Stammzellforschung erregt derzeit ein Wissenschaftlerstreit die Gemüter: Stein des Anstoßes sind die pluripotenten Stammzellen, die Wissenschaftler um Thomas Skutella vom Zentrum für Regenerationsbiologie und Regenerative Medizin in Tübingen vor zwei Jahren aus Hodengewebe von erwachsenen Patienten gezüchtet haben wollen und als Durchbruch feierten. Im März 2009 meldete das Zentrum, „dass mit den Zellen so unterschiedliche Krankheiten wie Diabetes oder degenerative Defekte im Bewegungsapparat und im Gehirn therapiert werden könnten“.
In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Nature“ (2010, doi:10.1038/nature09089)) zweifeln jedoch nun Stammzellexperten, darunter Prof. Dr. Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster und Prof. Dr. Martin Zenke von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Skutellas hoffnungsvolle Ergebnisse an.
Die Gründe: Seit mehr als einem Jahr bitten die Wissenschaftler vergeblich um eine Probe dieser Zellen. Sie waren auch nicht in der Lage, die Arbeiten mit dem beschriebenen Ergebnis zu wiederholen. Stattdessen züchteten sie Fibroblasten, deren Eigenschaften denen der Tübinger Zellen glichen. Bei der Analyse von Skutellas Daten stießen sie auf ein überraschendes Ergebnis: Die Zellen seien wahrscheinlich nicht pluripotent, sondern auch einfache Fibroblasten, schreiben sie in „Nature“. Zumindest sei das Genexpressionsmuster von Skutellas Zellen nicht mit dem von menschlichen embryonalen Stammzellen identisch.
An einen Zufall glauben Schöler und Zenke dabei nicht. Bei der Zelltypcharakterisierung würde die Aktivität von etwa 40 000 verschiedenen Genen bestimmt, die eindeutig auf Fibroblasten hinwiesen, schreiben sie. Naheliegender erscheint es Schöler vielmehr, dass Skutellas Team statt Stammzellen versehentlich Bindegewebszellen, die sich leicht aus Hodengewebe vermehren lassen, gezüchtet habe. Auch für Zenke ist es „nicht nachvollziehbar“, wie die Kollegen den Schluss ziehen konnten, dass ihre Zellen pluripotent sind.
Skutella argumentiert indes in „Nature“ (2010, doi:10.1038/nature09090), dass der Vergleich mit Schölers Datensätzen nicht zulässig sei, da seine Zellen zu einem anderen Zeitpunkt und mit einer anderen Versuchsanordnung gezüchtet worden seien. Er wolle Proben davon bald zur Verfügung stellen. Sie sollen dann letztlich den Nachweis der Echtheit erbringen. Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann