ArchivDeutsches Ärzteblatt28-29/2010Interview mit Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer: Keine Suizidbeihilfe

POLITIK: Das Interview

Interview mit Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer: Keine Suizidbeihilfe

Klinkhammer, Gisela

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Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe
Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe

Der Bundesärztekammer-Präsident nimmt Stellung zur Allensbach-Umfrage „Ärztliche Sterbehilfe“.

Herr Prof. Hoppe, der Allensbach-Umfrage zufolge befürworten 30 Prozent aller Ärzte die Regelung eines ärztlich begleiteten Suizids. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?

Hoppe: Der ärztlich begleitete Suizid ist nicht strafbar. Viele Ärzte scheinen deshalb eine Legalisierung zu befürworten. Außerdem lassen die Ergebnisse der Befragung vermuten, dass der schleichende Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft unter Ärzten für Verunsicherung sorgt. Sterben und Tod werden in den Konsumgesellschaften der Moderne zunehmend tabuisiert. Macht und Materialismus werden dagegen glorifiziert. Wir Ärzte sind es dann, die den Wunsch des Patienten oder seiner Angehörigen nach einem Tod ohne Sterben erfüllen sollen. Jeder dritte Arzt ist schon um Hilfe beim Suizid gebeten worden. Es ist wichtig, klar darauf hinzuweisen, dass das Mitwirken des Arztes bei der Selbsttötung dem ärztlichen Ethos widerspricht. Kranke Menschen haben einen Anspruch darauf, dass Ärzte ihnen in ihrer Not beistehen und ihr Leiden lindern.

Sie hatten vor kurzem angekündigt, dass die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung überarbeitet werden sollen. Werden die Ergebnisse der Befragung darin Eingang finden?

Hoppe: In der Tat beschäftigen wir uns mit einer Fortschreibung der Grundsätze. Und natürlich werden die Umfrageergebnisse in die Diskussionen der Gremien einfließen. Inwieweit sie die Grundsätze verändern werden, vermag ich allerdings noch nicht zu sagen.

Palliativmediziner nehmen eine kritischere Haltung gegenüber jeder Form von Sterbehilfe ein. Sind Ärzte nicht genügend über Palliativmedizin informiert?

Hoppe: Der Umgang mit Sterbenden wurde in Deutschland lange Zeit nur mangelhaft in der Ausbildung von Ärzten thematisiert. Viele Ärzte kamen erst als Assistenzärzte oder nachdem sie sich als Arzt niedergelassen hatten, mit dem Thema Palliativmedizin in Berührung. Doch seit einigen Jahren hat sich glücklicherweise einiges getan. Unter anderem verabschiedete der Deutsche Ärztetag 2003 eine neue (Muster-)Weiterbildungsordnung, die eine Zusatzweiterbildung Palliativmedizin ermöglichte. Und auch auf Gesetzesebene ist Bewegung in die Sache gekommen – begonnen damit, dass unheilbar kranke und sterbende Menschen nun einen rechtlichen Anspruch auf eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung haben und diese seit 2009 auch zu den Pflichtfächern im Medizinstudium gehört.

Glauben Sie, dass ein Ausbau der Palliativmedizin die Wünsche nach Sterbehilfe verringern würde?

Hoppe: Ja, und dieser Meinung sind nach unserer Umfrage rund 80 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte. Der flächendeckende Ausbau palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen und eine bessere Information der Menschen über die Möglichkeiten der Palliativmedizin würden sicher dazu beitragen, dass der Ruf nach aktiver Sterbehilfe bald verhallt. Die meisten Ärzte sind aber auch der Ansicht, dass die Kapazitäten für die palliativmedizinische Versorgung ungenügend sind.

Das Interview führte Gisela Klinkhammer.

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