ArchivDeutsches Ärzteblatt PP8/2010Ausbildungsreform: Abschaffung der pädagogischen Wurzeln
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Die Mitglieder der KJP AG in der Hessischen Landeskammer haben sehr aufmerksam Ihre Darstellung des 16. DPT verfolgt und möchten dazu folgendes ergänzen:

Da insbesondere die Zukunft des Heilberufs der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie von den Beschlüssen des 16. DPT betroffen ist, möchten wir darauf hinweisen, dass die Beschlüsse von Berlin nicht nur die Zusammenführung der bisherigen beiden Heilberufe PP und KJP zu einem Heilberuf befürworten, sondern auch die Voraussetzungen für die Ausbildung zu diesem Heilberuf derart vereinheitlichen, dass das eigene Profil der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie infolge dieses Beschlusses nicht weiter sichtbar bleiben würde. Die Beschlüsse von Berlin sehen demnach zwar als Voraussetzung zur Ausbildung künftig einen Masterstudiengang vor, der „klinische Psychologie, Pädagogik und Sozialarbeit zusammenfasst“, doch die vom DPT verabschiedeten Kriterien für die Studieninhalte weisen ein eindeutiges Übergewicht der akademischen Psychologie aus. Die bereits auf dem DPT laut gewordenen Befürchtungen, die vorgeschlagenen Kriterien seien für Studiengänge der Pädagogik und der Sozialarbeit nicht zu erfüllen, haben sich mittlerweile bewahrheitet. Eine Umfrage der Hessischen Kammer bei infrage kommenden Hochschulen hat ergeben, dass kein Studiengang Pädagogik und/oder Sozialarbeit die Studieninhalte in Teilen der klinischen Psychologie – dies betrifft insbesondere den Teilbereich „Grundlegende Kenntnisse in Psychologie“ – wird erfüllen können. Hieraus ergibt sich unseres Erachtens, dass die übereilten Beschlüsse des 16. DPT in diesem Punkt zu einem Widerspruch führen, dem der pädagogische Grundberuf als Zugang zum Opfer fallen würde. Dieser Widerspruch zwischen dem formulierten Anspruch, Pädagogen und Sozialarbeitern auch weiterhin den Zugang zur Psychotherapie als Heilberuf zu ermöglichen, und der Dominanz klinisch-psychologischer Inhalte, die diesem Anspruch nicht erfüllen, wird für weitere Unruhe in der Profession sorgen. Die Praxis der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie speiste sich bisher aus psychologischen und pädagogischen Kenntnissen und hat sich gerade in dieser Verbindung auf hohem Niveau bewährt. Es ist zu befürchten, dass durch die Beschlüsse von Berlin die pädagogische Wurzel auf kaltem Wege entfernt werden soll. Die pädagogischen Fächer sollen als ein möglicher Grundberuf der Psychotherapie „kaltgestellt“ werden. Die Psychotherapie würde künftig mit dem Fach Psychologie gleichgesetzt werden, weil deren Paradigma eindeutig die anderen Inhalte dominiert. Das verkennt jedoch, dass Psychotherapie bislang aus mehreren akademischen Grundberufen ihr Wissen bezog. ►

Es scheint, als sei dies das Opfer, um „mit den ärztlichen Psychotherapeuten auf einer Ebene zu stehen“, wie ein Delegierter seine Zustimmung hierzu für sich rechtfertigte.

Überraschend an dem Beschluss war weniger das Ergebnis, sondern der Weg, auf dem dieses Ergebnis zustande gekommen ist. Die drohende Entwertung der künftigen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, die durch die Beschlüsse von Bologna erst auf den Weg gebracht wurden – nicht jedoch durch eine Kritik an der Versorgung von Kindern und Jugendlichen (!) –, scheint nun dazu genutzt worden zu sein, die Zugänge derart zu vereinheitlichen, dass nichtpsychologische Zugänge verunmöglicht werden. Was noch vom Forschungsgutachten als Qualität der Versorgung hervorgerufen wurde und in Europa als Modell herangezogen werden könnte, soll durch die Beschlüsse des DPT abgeschafft und – gegen alle fachlichen Urteile – zu einem historischen Relikt erklärt werden. Im Forschungsgutachten wurden die spezifischen Besonderheiten der Zugänge und der Tätigkeit des Heilberufs Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, die auf (sozial-)pädagogischen Kenntnissen aufbaut, eigens gewürdigt. Durch die Beschlüsse wird auch eine Tradition der psychotherapeutischen Versorgung abgeschnitten, die bislang die Behandlung von psychisch kranken Kindern und Jugendlichen auf qualitativ hochwertigem Niveau gewährleistet hat.

Insbesondere, da sich nach genauerer Betrachtung der Beschlüsse erwiesen hat, dass deren ursprünglicher Anspruch nicht umzusetzen ist, werden wir uns mit diesen Beschlüssen vom 16. DPT nicht abfinden und für eine Wiederaufnahme der Diskussion über die Zukunft der Ausbildung zum PP und KJP eintreten.

Dr. Ulrich A. Müller
Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsycho-therapeut (VAKJP), 36037 Fulda

KJP AG der LPPKJP Hessen: Sabine Eckert, Jörg Hein, Stephan Jürgens-Jahnert, Jürgen Kapp, Ulrich Müller, Reinhold Neef, Helga Planz, Marion Schwarz, Marieanne Simon, Dagmar Stassek, Bärbel Venema, Gisela Wiegand

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