KUNST UND SEELE
Aussenseiterkunst: Werner Streppel – Haus mit Interieur
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Werner Streppel wurde im Jahr 1930 geboren. Im Alter von 18 Jahren erkrankte er an einer Hebephrenie, einer Form der Schizophrenie, bei der sich die Betroffenen häufig sozial isolieren. Über viele Jahre lebte er in sich gekehrt und war kaum in der Lage, Initiative zu entwickeln. Seit 1980 besserte sich sein Zustand, und er stabilisierte sich in den Folgejahren zunehmend. Soweit bekannt, begann er seine Malerei 1981/82. Die künstlerische Tätigkeit begünstigte wesentlich seine positive Entwicklung. Heute lebt Streppel in einem Nachbarort der Klinik in einer betreuten Wohnform, die ihm eine größtmögliche Selbstständigkeit ermöglicht. Bis heute führt er seine künstlerische Tätigkeit fort. Streppel arbeitet zu Hause in seinem Werkraum, und er besucht das Atelier im „Kunsthaus Kannen“. Sein umfangreiches Gesamtwerk belegt seinen ungebrochenen Schaffensdrang.
Charakteristisch für Streppels Malerei sind breite schwarze Linien. Sie rastern Häuserwände und Dächer, setzen sich in der Belaubung von Bäumen fort und überziehen die Umgebung im Hintergrund. Die ursprünglich eckige Anlage dieser Raster gibt den Objekten ihre Statik, vermittelt Sicherheit und Solidität. Die schwarzen Linien bilden dabei in Verbindung mit den kräftig bunten Farben der Ausmalung einen starken Kontrast. Dadurch erfahren die Bildflächen eine Rhythmisierung, so dass die Tendenz zu einer starren Wirkung aufgehoben wird.
Mittlerweile ist der Bau von Objekten zum Hauptwerk Streppels geworden. Aus Pappkarton fertigt er dreidimensionale Häuser, kreiert Schiffe, Flugzeuge, Fahrräder und schneidet Silhouetten aus. Die Objekte bemalt er im Stil seiner Bilder. Für das abgebildete Haus diente eines seiner Papphäuser als Modell. Die Abmessungen der Holzkonstruktion sind so, dass das Haus begehbar ist.
Sämtliche Wand- und Dachflächen im Inneren bemalte Streppel mit seinen Motiven. Außerdem baute und bemalte er das Mobiliar. Die Stühle laden ein, im Innern des Hauses zu verweilen. Durch die Dachfenster fällt das Licht und bringt die Farben zum Leuchten.
In der Enge des Raumes rücken die Bilder ganz nah. Sie umhüllen den Betrachtenden, tragen ihn fort, tauchen ihn ein in Streppels Welt. Die Bilder beginnen Geschichten zu erzählen, berichten von gelebter Zeit. Es träumt sich gut in diesem Bildertaumel, und das Haus lässt den Betrachter lange nicht los.
Thomas Schwarm, Diplom-Kunsttherapeut, Alexianer Münster
Kunsthaus Kannen: www.kunsthaus-kannen.de
Bis Ende Oktober zeigt das Kunsthaus Kannen eine Ausstellung niederländischer Außenseiterkunst.