

Schon der bedeutende Psychosomatiker Thure von Uexküll sagte (1):
„Das Menschenbild der Medizin ist technokratisch. Der biotechnisch nicht fassbare Inhalt geht verloren, um den kümmern sich die meisten Mediziner nicht.“
Diesem Gedanken entsprechen die meisten Beiträge unter den Leserbriefen:
Breitenbürger stellt zu Recht die „Droge Arzt“ heraus, aber greift auch das wissenschaftlich/rationale Prinzip als eine wichtige Voraussetzung für einen Therapieansatz auf. Ob sich die Forderung verwirklichen lässt, mit verstärkter ärztlicher Zuwendung Ressourcen einzusparen oder gar umzulenken, bleibt abzuwarten.
Eine Forderung nach einem Berufsverbot für Alternativ- und Komplementärmedizin, wie von Rapp interpretiert, wurde von uns nicht erhoben, ja nicht einmal erwogen. Wir haben lediglich darauf verwiesen, dass Placeboeffekte sehr wahrscheinlich einen Teil, wenn nicht die Gesamtheit der Wirkung von therapeutischen Maßnahmen der Alternativ- und Komplementärmedizin ausmachen und an einer anderen Stelle darauf verwiesen, dass der Placeboeinsatz (in der Schulmedizin!) eine – unter Umständen auch rechtlich relevante – Täuschung der Patienten darstellen kann (2). Entgegen der Einschätzung von Reimann sind wir also nicht der Ansicht, dass der Einsatz eines Placebos in der Schulmedizin zu befürworten sei, sondern wollten nur herausstreichen, dass bei der Gabe von aktiven Präparaten eine Placebowirkung mitbeteiligt ist und bewusst gefördert werden sollte.
Ebenso wie Rapp sieht auch Schiemer im Einsatz des Placeboeffektes eine Schnittstelle zwischen Komplementär- und Schulmedizin. Allerdings möchten wir betonen, dass zwar Subjektivität in der Arzt-Patientenbeziehung eine Rolle spielt, aber doch Objektivität zu den wesentlichen Grundsätzen medizinischen Handelns gehört. Gerade deshalb sollten die in der Überschrift unseres Artikel erwähnten „Missverständnisse und Vorurteile“ möglichst vermieden werden.
Minwegen verweist auf Noceboeffekte, die durch in Beipackzetteln genannte Nebenwirkungen ausgelöst werden können. Hier spielt sicher eine wesentliche Rolle, wie diese Informationen vom Arzt vermittelt oder kommentiert werden (3). Wem zum Beispiel von medizinischen Außenseitern Angst eingeredet wurde vor der „schädlichen Chemie der Schulmedizin“, dem helfen wissenschaftlich gesicherte und praktisch bestens bewährte Medikamente weniger gut oder gar nicht. Negative Informationen, die der Patient von Arzt, Apotheke oder Presse erhält, können ebenso Nebenwirkungen hervorrufen.
Klippel ergänzt unsere Literaturrecherche zum „Placebo-Gen“ durch den Hinweis auf epigenetische Faktoren. Seine Definition von Epigenetik scheint aber sehr breit gefasst zu sein und die Regulation der Genexpression im Allgemeinen zu umfassen. Eigene zusätzliche Literaturrecherchen zum spezifischen Begriff „Epigenetik und Placebo“ blieben ohne Ergebnis.
Wir danken Schulz für die Ergänzungen zu den typischen Anwendungsgebieten der komplementären Phytotherapie. Der hohe Anteil von Placebowirkungen am Gesamteffekt einer Therapie mit Verum ist bei den einzelnen Indikationen wahrscheinlich auf verschiedene Gründe zurückzuführen. So ist die ausgeprägte Placebowirkung bei Demenz wahrscheinlich vor allem auf die Unwirksamkeit von Verum zurückzuführen.
Vetter unterstreicht, welche vielfältigen Aspekte die Arzt-Patienten-Beziehung aufweist. Auch wir sehen therapeutische Vorteile, wenn der ganze Mensch in die Behandlung einbezogen ist: bewusste Erwartungen können Symptome lindern, selbst dann, wenn die Behandelten wissen, dass sie nur ein Placebo bekommen (4). Der von uns angeführte „geringe zusätzliche Zeitaufwand“ bezieht sich auf kurze Sätze wie „diese Behandlung hat schon vielen geholfen“, die schon allein eine verbesserte Ansprechbarkeit des Patienten auf eine Arzneimittelgabe herbeiführen können.
Letztlich wollen wir noch auf einen kleinen historischen Fehler hinweisen, der uns unterlaufen ist: Benjamin Franklin war zwar Präsident des Verfassungs-Konvents der damals 13 Vereinigten Staaten von Amerika und unterzeichnete mit 54 anderen Repräsentanten die Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776. Er war ebenso Präsident des „Supreme Executive Council of Pennsylvania“; auf diesem Posten, der dem späteren Amt des Gouverneurs entsprach, verblieb er bis zum 1. Dezember 1788. Als letzte Amtshandlung unterzeichnete er noch die Verfassung der USA (5). Das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten hatte er allerdings nie inne.
Allen Verfassern von Zuschriften danken die Autoren für ihre Bereitschaft, mit ihnen über das spannende Thema „Placebo“ zu diskutieren.
DOI: 10.3238/arztebl.2010.0571
PD Dr. med. habil. Matthias Breidert
Medizinische Klinik I
Kliniken im Naturpark Altmühltal
Klinik Kösching
Krankenhausstraße 19
85092 Kösching
E-Mail: matthias.breidert@klinik-koesching.de
Interessenkonflikt
Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
1. | v Uexküll T, Adler RH, Herrmann JM, et al.: Psychosomatische Medizin. 6th edition. München, Jena: Urban & Fischer 2002. |
2. | Breidert M, Hofbauer K: Placebo: Missunderstandings and prejudices [Placebo: Missverständnisse und Vorurteile]. Dtsch Arztebl Int 2009; 106(46): 751–5. VOLLTEXT |
3. | Barsky AJ, Saintfort R, Rogers MP, Borus JF: Nonspecific medication side effects and the nocebo phenomenon. JAMA 2002; 287(5): 622–7. MEDLINE |
4. | Benedetti F: Mechanisms of placebo and placebo-related effects across diseases and treatments. Annu Rev Pharmacol Toxicol 2008; 48: 33–60. MEDLINE |
5. | http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Franklin |