ArchivDeutsches Ärzteblatt33/2010Medizin und Kunst: Freude am schöpferischen Spiel

KULTUR

Medizin und Kunst: Freude am schöpferischen Spiel

Krannich, Stephanie

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Doppelkonus 2, gegenläufig gerundet V2A, h = 38 cm
Doppelkonus 2, gegenläufig gerundet V2A, h = 38 cm

Ein Porträt des Arztes und Stahlbildners Roland Phleps

Ich habe das Glück, nach einem tätigen und verpflichteten Leben in Familie und Arztberuf zu kindlichen Anfängen zurückgekehrt zu sein: zum Spiel.“ Das bekennt der heute 86-jährige Dr. med. Roland Phleps, Neurologe, Psychiater und seit nunmehr 20 Jahren Stahlbildner. Konkrete Stahlskulpturen in kleinen und großen Formaten sind Inhalt seiner zweiten Karriere.

Bereits als Schüler zeigte Roland Phleps großes Interesse an Musik, Literatur und Kunst, vor allem an Bildender Kunst, damals noch nicht ahnend, dass er es darin im Pensionsalter zu wahrer Meisterschaft brächte. Bei anfänglich nur spielerischer Beschäftigung mit aus Papier, Pappe oder Kunststoff-Folien geschnittenen geometrischen Grundformen erkannte er die Möglichkeit, diese aus der Zweidimensionalität in den Raum zu biegen und durch eine Vielzahl von Variationen und Kombinationen zu neuen, offenen Gebilden zu gelangen, die aus Edelstahlblech gefertigt, aus reflektierenden Grenzflächen zwischen Außenraum und umschlossenem Raum bestehen.

Von den jeweils im „Zimmerformat“ gefertigten Skulpturen ließen sich manche, die nicht windanfällig sind, als Freilandskulpturen im Großformat realisieren. Im Edelstahl hatte Phleps seinen „geliebten“ Werkstoff gefunden. Edelstahlbleche lassen sich manuell oder maschinell gut biegen. Nach den Plänen des Künstlers entstehen mit Hilfe von Fachleuten und dem Einsatz computergesteuerter Laserschneider und moderner Schweißtechnik unter seinen Händen die Stahlskulpturen. Diese bestehen aus einem einzelnen Element oder sind aus mehreren zusammengefügt, als Relief oder meist als freistehende Gestalt. Manche greifen bis zu einer Höhe von sechs Metern in den Raum, kommunizieren mit ihrer Umgebung durch Reflexionen des Lichts und der sich vielgestaltig tageszeit- und witterungsabhängig ändernden Schattierungen des bürstengeschliffenen Stahls. Manche werden vom Wind bewegt, leicht schwingend oder sich auf Kugellagern drehend, manchmal auch elektrisch von Solarzellen angetrieben.

Stilistisch widmet sich Roland Phleps der Konkreten Kunst, von der Max Bill, ein Protagonist dieser Stilrichtung, sagte: „Konkrete Kunst ist in ihrer letzten Konsequenz der reine Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz. Sie ordnet Systeme und gibt mit künstlerischen Mitteln diesen Ordnungen das Leben.“ Im Laufe der Jahre entwickelte Phleps eine Vielzahl von Werkgruppen unterschiedlicher geometrischer Bauelemente (Module): neben den Grundformen auch Module wie Sinuskurven-Zweiecke, Sinuskurven-Vierecke, Ellipsenbogen-Dreiecke und Kreisbogen-Vierecke. Manchen mögen Phleps’ Skulpturen als „einfach“ erscheinen, weil sie so klar und harmonisch, in ihrer Ausführung so perfekt sind. Doch nur der künstlerisch Tätige weiß, wie schwer das Ziel ist, „nur“ Einfachheit zu erreichen.

„Über das Einfache in der Kunst“

„Großes Tor“ V2A, h = 2,40 m. Fotos: Gutenbergdruckerei
„Großes Tor“ V2A, h = 2,40 m. Fotos: Gutenbergdruckerei
schreibt Roland Phleps: „Der Rang eines Kunstwerks kann in seiner Einfachheit begründet sein. … Einfach ist nicht schlechthin das Gegenteil von mehrfach. Auch ein Zusammengesetztes kann einfach aufgebaut sein und die Würde des Einfachen erreichen. Einfach ist nicht gleichzusetzen mit simpel im Sinne von arm im Geist, dürftig, trivial, einfalls- oder anspruchslos. Einfach nenne ich eine Aussage, die zu höchster Kraft verdichtet ist. Einfach nenne ich, was mit einem Zugriff zu fassen ist und was einleuchtet, überzeugt. Das Einfache geht Hand in Hand mit Klarheit und Reinheit. Das Einfache ist nackt, es braucht kein Gewand. Das Einfache spricht für sich, es braucht keine Erklärung. Das Einfache kann uns die Sprache verschlagen, und wenn etwas zu sagen ist, kann es nur lauten: Ja, so ist es. Einfachheit ist für den Künstler ein mögliches Ziel, dass er wählen kann – ein sehr hohes Ziel.“

Roland Phleps bekennt sich – entgegen dem Zeitgeist – offen zur „Schönheit“ in der Kunst, die der Mensch mit seinen Sinnen erfassen kann, die sein ästhetisches Empfinden anspricht. „Er (der Mensch) kann Schönheit lieben trotz aller schrecklichen individuellen und kollektiven Erlebnisse, über Tod und Verlust hinaus, und das gerade angesichts seiner eigenen Hinfälligkeit und der Vergänglichkeit des Schönen.“ Wenn der aufmerksame Betrachter mit Geduld und offenen Augen versucht, die Skulpturen von allen Seiten zu erfassen, wird er reichlich belohnt. Deren Schöpfer ist beglückt, wenn seine Freude am „Wechselspiel von Harmonie und Spannung, an Kraft und Anmut, an einer schwungvollen Bewegung von Linien und Flächen, an bewegten Reflexen auf Wölbungen und Kanten der Objekte“ auf Resonanz stößt. Viele seiner Werke sind inzwischen im öffentlichen Raum zu sehen, unter anderem in Dresden, Würzburg, Ulm sowie vor allem in seiner Wahlheimat Freiburg: zum Beispiel am Platz der Universität, im Universitätsklinikum, im Stadtgarten, auf der Skulpturenwiese am Waltersberg. Der Erfolg seiner Arbeit führte im Jahr 1997 zur Gründung der als gemeinnützig anerkannten „Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps“. Diese hat zum Ziel, „die Grundgedanken der Konkreten Kunst lebendig zu halten, die Künstler und deren Werke zu fördern, die dieser Stilrichtung moderner Kunst verpflichtet sind, und das künstlerische Œuvre des Stifters zu bewahren und zu präsentieren“. Diesem Ziel dient die 1999 in Freiburg-Zähringen eröffnete, mit einem Prädikatspreis ausgezeichnete Skulpturenhalle, die Phleps erbauen ließ und in die Stiftung einbrachte. Dort waren inzwischen Werke weltbekannter Künstler wie Andreu Alfaro, Erich Hauser, Gottfried Honegger und Heinz Mack zu sehen.

Bis heute hat Roland Phleps die Freude am schöpferischen Spiel nicht verloren. Es vitalisiert ihn, spornt ihn unentwegt an, Neues zu schaffen, zu (er-)finden, neue Wege zu suchen und zu gehen. Davon zeugen unter anderem fünf umfassende, vorzüglich illustrierte Werkkataloge aus den Jahren 1997 bis 2008. Darin legt der Künstler seine Gedanken zur Kunst, insbesondere zur Konkreten Kunst dar und erläutert die Entwicklung seiner Skulpturen. Viele Essays und Aphorismen, auch zu wichtigen Fragen des menschlichen (Da-)Seins, zeigen seine klaren Positionen. Seine profunde (humanistische) Bildung,
der Erfahrungsschatz langjähriger ärztlicher Tätigkeit sowie weite Reisen sind Quellen der Lebensführung einer Persönlichkeit, die trotz Schicksalsschlägen in sich zu ruhen scheint.

Dr. med. Stephanie Krannich

Lebensstationen

1924: Roland Phleps wird in Hermannstadt/Siebenbürgen geboren

1943: Reifeprüfung in Hermannstadt

1944/45: Soldat

1945–1950: Medizinstudium in Tübingen und Göttingen, Promotion in Tübingen

1951–1959: Assistenzarzt an Kliniken und Krankenhäusern in Tübingen, Lübeck, Esslingen und Freiburg, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

ab 1959: in freier nervenärztlicher Praxis in Freiburg tätig

1983/84: experimentelle geometrische Konstrukte in Aluminiumblech

seit 1992: konkrete Skulpturen aus Edelstahlblech in kleinen und großen Formaten

seit 1993: Ausstellungen im öffentlichen Raum und in Galerien, Daueraufstellungen von Skulpturen

1997: Gründung der „Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps“

1998: Bau der Skulpturenhalle in Freiburg-Zähringen

1999: Eröffnung der Halle mit einer Ausstellung des Stifters, öffentliche Vorstellung der Stiftung

seit 1999: Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen von Werken eingeladener Künstler der Konkreten Kunst in der Skulpturenhalle

Informationen

Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps, 79104 Freiburg (Zähringen), Pochgasse 71–73, geöffnet: sonntags von 11.30 Uhr bis 13.30 Uhr, außerdem jederzeit nach telefonischer Vereinbarung, Telefon: 0761 54121. Der Zugang zu den Ausstellungen und Veranstaltungen ist frei. Weitere Informationen über aktuelle Ausstellungen und Begleitprogramme (Konzerte, Vorträge) unter: www.stiftung-konkrete-kunst.de.

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