ArchivDeutsches Ärzteblatt38/2010Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen: Rechtlich auf dem Prüfstand

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Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen: Rechtlich auf dem Prüfstand

Warntjen, Maximilian; Schelling, Philip

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Vor dem Hintergrund einer aktuellen Entscheidung zur Bestechlichkeit von Vertragsärzten könnte das Kriterium der „Gegenleistung“ zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat Vertragsärzte in einem jüngst ergangenen, aufsehenerregenden Beschluss als „Beauftragte“ der Krankenkassen qualifiziert (DÄ, Heft 17/2010). Damit hat das OLG als erstes Obergericht den Anwendungsbereich des § 299 Strafgesetzbuch (Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr) auch für Vertragsärzte eröffnet.

Triebfeder dieser Entwicklung dürften nicht zuletzt die im Zuge der „Ratiopharm-Verfahren“ lauter gewordenen Stimmen gewesen sein, welche forderten, das Korruptionsstrafrecht nicht nur für Krankenhaus-, sondern auch für Vertragsärzte zu eröffnen.

Nach Auffassung des OLG nimmt der Vertragsarzt als „Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung“ auf die Verordnung eines konkreten Präparats dergestalt Einfluss, dass er „geschäftlich für den Betrieb“ der Krankenkassen tätig wird und so als deren „Beauftragter“ anzusehen ist.

Konkret ging es um den Fall eines Apothekers, der einem Arzt finanzielle Zuwendungen, unter anderem in Form von Zuschüssen zu dessen Praxisumbau, zukommen ließ. Im Gegenzug soll der Arzt den Apotheker – so lautet jedenfalls der Verdacht – bei der Verschreibung von hochpreisigen Zytostatika bevorzugt haben.

Wenngleich sich Vertragsärzte unter Verweis auf ihre Freiberuflichkeit strikt (und zu Recht) dagegen verwahren, „Beauftragte“ der Krankenkassen zu sein, ist dennoch zu befürchten, dass künftig Staatsanwaltschaften den Beschluss aufgreifen und nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker, sondern auch weithin gängige Marketingmaßnahmen von Pharmaunternehmen mit der Zielgruppe der niedergelassenen Vertragsärzte, wie die Veranstaltung beziehungsweise organisatorische und finanzielle Unterstützung von internen und externen Fortbildungen, die Durchführung von Anwendungsbeobachtungen oder den Abschluss von Referenten- und Beraterverträgen, zum Anlass einer strafrechtlichen Überprüfung nehmen.

Welche strafrechtlichen Risiken birgt die Zusammenarbeit mit pharmazeutischen Unternehmen in Zukunft für den Vertragsarzt? Der Tatbestand der „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ bedroht kurz gefasst den Beauftragten mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder denjenigen mit einer Geldstrafe, der für eine unlautere Bevorzugung eines anderen im Wettbewerb einen Vorteil annimmt.

Konkret könnten Staatsanwaltschaften zum Beispiel überprüfen, ob der Vertragsarzt das Präparat eines bestimmten Herstellers nur deshalb verordnet hat, weil er von dem Unternehmen einen Vorteil erhalten hat, etwa in Form eines gut dotierten Referentenvertrags oder einer Einladung zu einem mehrtägigen auswärtigen Kongress samt Übernahme von Reise- und Übernachtungskosten.

Andererseits ist zu beachten, dass geringwertige Vorteile kaum geeignet sind, einen Vertragsarzt in seiner Verordnungsentscheidung zu beeinflussen. Nach wie vor dürfte damit beispielsweise die Teilnahme an einem Imbiss im Anschluss an eine durch ein Pharmaunternehmen finanzierte Fortbildungsveranstaltung oder die Entgegennahme von Werbegeschenken (wie Kalender) strafrechtlich unbedenklich sein, da sie von nur geringem wirtschaftlichem Wert sind und der sozialen Üblichkeit entsprechen.

Offen ist dagegen, wie Gerichte die Annahme von Vorteilen ohne Erbringung einer Gegenleistung durch den Vertragsarzt beurteilen. Ein Beispiel hierfür wäre das Angebot eines Pharmaunternehmens an einen Vertragsarzt, Rechtsanwaltskosten zu übernehmen, welche im Zusammenhang mit dessen Vertretung bei Plausibilitäts- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen entstehen. Ein anderes wäre die finanzielle „Beteiligung“ an oder gar die komplette Übernahme von festgesetzten Regresszahlungen. Die Strafgerichte könnten hier den Umstand der fehlenden Gegenleistung als Indiz dafür werten, dass mit der Zuwendung des Vorteils eine unlautere Bevorzugung bezweckt wird („Unrechtsvereinbarung“).

Es bleibt zu befürchten, dass im Zuge der sich absehbar verschärfenden Rechtsprechung künftig auch die Zusammenarbeit zwischen Vertragsärzten und Pharmaunternehmen auf den rechtlichen Prüfstand gestellt wird. So soll etwa die Staatsanwaltschaft Erfurt bereits auf die neuen Entwicklungen reagiert und in einem der Ratiopharm-Fälle aus den Jahren 2003 bis 2005 Anklage gegen eine Außendienstmitarbeiterin erhoben haben, die sich dem Vorwurf der gewerbsmäßigen Bestechung in 25 Fällen wegen des Verschenkens von Chipkartenlesegeräten und Gutscheinen im Wert von jeweils circa 200 Euro ausgesetzt sieht. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass sich Pharmaunternehmen künftig auch im niedergelassenen Bereich strenger an den Grundregeln der Zusammenarbeit zwischen Industrie und Ärzten (zum Beispiel „FSA-Kodex“) orientieren und im Zuge dessen das Kriterium der „Gegenleistung“ zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

RA Dr. Maximilian Warntjen

RA Dr. Philip Schelling

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