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Private Krankenversicherung: Trügerischer Erfolg


Noch so ein Sieg, und wir sind verloren“, soll König Pyrrhus von Epirus nach seinem Sieg über die Römer in der Schlacht bei Asculum (Süditalien) 279 vor Christus zu einem Vertrauten gesagt haben. Bis heute spricht man von einem Pyrrhussieg, wenn ein Erfolg zu teuer erkauft wurde.
Aus dem sommerlichen Gefeilsche um die Gesundheitsreform und die Neuordnung des Arzneimittelmarkts gingen die Lobbyisten der privaten Krankenversicherung (PKV) als klare Sieger hervor – versprechen doch die Pläne der Bundesregierung den PKV-Unternehmen mehr Versicherte, steigende Beitragseinnahmen und sinkende Arzneimittelausgaben. Aber dieser Erfolg könnte sich als trügerisch erweisen.
Die PKV-Branche profitiert in dreifacher Hinsicht: Erstens soll der Wechsel von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung erleichtert werden. So sollen Versicherte wieder (wie bis 2007) in die PKV wechseln können, wenn das Einkommen ein Jahr lang über der Versicherungspflichtgrenze (2010: 49 950 Euro jährlich) liegt. Derzeit gilt eine Wartefrist von drei Jahren. Zweitens sollen Krankenkassen keine eigenen Zusatzversicherungen, etwa Auslandskrankenversicherungen oder Chefarztarztpolicen, mehr anbieten dürfen. Die privaten Anbieter können diesen lukrativen Markt somit wieder exklusiv bedienen. Und drittens sollen Preise für neue Medikamente, die der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit den Herstellern aushandelt, auch für private Krankenversicherungen gelten. Bisher zahlen die PKV-Unternehmen weit höhere Preise für Arzneimittel als die Kassen, weil sie von den zahlreichen staatlichen Preisregeln für Medikamente ausgeschlossen sind.
Sind die ersten beiden Maßnahmen wahre Geschenke für die PKV, so hat es die Übertragung der Arzneimittelrabatte in sich. Erstmals wird die PKV damit in das Vertragssystem eingebunden, mit dem die Krankenkassen die Leistungsausgaben steuern. „Natürlich“, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am 15. September beim PKV-Herbstfest in Berlin, hätten sich die privaten Versicherer im Gegenzug auch an den Kosten zu beteiligen, die den gesetzlichen Kassen durch die Preisverhandlungen entstünden. Doch damit nicht genug: Nach Berichten aus Koalitionskreisen soll die PKV-Branche auch die Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mittragen. Einer solchen Kostenbeteiligung an G-BA und IQWiG müsste aber zwangsläufig die Mitbestimmung folgen. Alles andere wäre ungerecht. So oder so: Nach der Einführung des PKV-Basistarifs mit Kontrahierungszwang im Jahr 2007 wird nun eine weitere „GKV-isierung“ der PKV auf den Weg gebracht. Das Geschäftsmodell der PKV verwässert weiter. Am Ende der Entwicklung könnte ein einheitliches Krankenversicherungssystem in Deutschland stehen.
Vor diesem Hintergrund lohnt ein Blick auf die nächste „Schlacht“, die die PKV gewinnen will. Dabei geht es um die Öffnungsklausel in der Gebührenordnung für Ärzte: „Wir wollen mehr Vertragskompetenz“, betonte Reinhold Schulte, Vorsitzender des PKV-Verbandes, beim PKV-Herbstfest. Wie die Kassen wollen die privaten Anbieter Selektivverträge mit den Ärzten aushandeln dürfen – was auf eine Nivellierung der Preise in Richtung des GKV-Niveaus hinauslaufen dürfte.
Noch so ein Sieg, und sie ist verloren, die PKV.
Jens Flintrop
Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik