POLITIK
GKV-Finanzierung: Fortschritt treibt die Kosten


Die Gesundheitsversorgung wird durch moderne Therapieverfahren und eine älter werdende Gesellschaft immer teurer. Eine aktuelle Studie des IGSF zeigt, dass vor allem der medizinische Fortschritt die Kosten steigen lässt.
Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung steigen voraussichtlich bis zum Jahr 2060 auf 437 bis 468 Milliarden. Das ist zumindest das Ergebnis einer Berechnung des Fritz-Beske-Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) in Kiel. Damit würde die Gesundheitsversorgung in 50 Jahren fast dreimal so viel kosten wie heute.
Grundlage dieser Studie über „Ausgaben und Beitragssatzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung bis 2060“ ist eine Prognose des Statistischen Bundesamts zur demografischen Entwicklung. Demnach gibt es 2060 fast 20 Prozent weniger Beitragszahler in der GKV als heute, die die dreimal so hohen Ausgaben finanzieren müssten. Dies würde Beitragssätze von mehr als 50 Prozent des Bruttoeinkommens bedeuten, „eine Zahl, die nicht diskussionswürdig ist“, wie Prof. Dr. med. Fritz Beske, Direktor des IGSF, betonte.
Die Kostensteigerung sei vor allem eine Folge des medizinischtechnischen Fortschritts. „Durch den demografischen Wandel steigt der Beitragssatz bis 2060 lediglich auf 18 bis 19 Prozent an“, erklärte Beske. Das Institut berechnete hierzu die Ausgabenentwicklung bei null, ein oder zwei Prozent jährlicher Kostensteigerung durch den medizinischen Fortschritt (siehe Grafik). Realistisch müsse man jedoch von zwei Prozent ausgehen, prognostizierte der IGSF-Direktor.
Er unterstrich mit diesen Daten seine Forderung nach einer neuen Ausrichtung der gesetzlichen Krankenversicherung. „Bisher gilt der Grundsatz, dass das, was an Bedarf da ist, auch bezahlt wird. In Zukunft bestimmt nicht mehr der Bedarf die Mittel, die verbraucht werden, sondern die Mittel bestimmen die Leistungen, die noch erbracht werden können“, stellte er fest. Damit befände sich die GKV in der gleichen Situation wie andere öffentliche Haushalte. Deshalb müsse sich die Versorgung auf den Krankheitsfall konzentrieren. Beispielsweise sei Prävention keine Aufgabe der GKV. Der IGSF-Direktor forderte deshalb die Politik auf, sich zu grundlegenden Gesundheitszielen zu bekennen und diese zu garantieren:
- Jeder, der ernsthaft krank ist, soll zeitnahen Zugang zu medizinischer Versorgung erhalten.
- Die Kosten für eine notwendige Behandlung dürfen niemanden in existenzielle Not bringen.
- Nur aufgrund des Alters darf niemand von einer medizinischen Leistung ausgeschlossen werden.
- Medizinischer Fortschritt soll allen zugänglich sein.
Unter diesen Aspekten müsse der GKV-Leistungskatalog überprüft werden. Nichtbedarfsgerechte Leistungen solle man streichen, verlangte Beske. Dabei dürfe es auch keine ethischen Tabus geben: Zum Beispiel müssen man überlegen, wie sinnvoll die umfassende Versorgung Frühgeborener sei, die trotz zu erwartender Einschränkungen und schlechter Überlebenschancen aufgezogen würden. „Wir müssen den Mut haben, auch solche Dinge anzusprechen“, sagte Beske.
Dr. rer. nat. Marc Meißner
Lohbeck, Rainer
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